
Weckrufe oder Sorgen – Gedichtzyklus
Saatkorn zwischen Mühlsteinen
1 Wann lerne ich
2 Schweige
3 Jeep
4 Plötzlich wuchsen Kirchtürme
Wann lerne ich
Wann lerne ich
vertrauen
dass Bauen ist
dass Leben ist
und ich darin
wann lerne ich
verweilen
dass Wachsen ist
dass Leben ist
ob ich tu oder nicht
wann lerne ich
wissen
dass Sinn ist
dass Leben ist
ob ich verstehe oder nicht
wann lerne ich
wünschen
dass Aus-tiefstem-Herzen
zaubern ist
ob ich glaub oder nicht
wann lerne ich
durchhalten
dass andauerndes Fallen
Fliegen ist
ob ich wage oder nicht
wann lerne ich
aufheben
dass Bergen ist
dass Behüten ist
ob ich mich schäme oder nicht
wann lerne ich
tragen
dass Land und Dach
und Nahrung ist
ob ich besitze oder nicht
wann lerne ich
fließen
wie der Fisch
im Wasser
schwimmen
wie der Vogel
am Himmel
gehen
wie der Wurm
durch Erde
wir alle
durchschreiten
Zeiten Bezogenheiten
Massen Räume
Aggregatzustände
sind Halt in Wandlung
und Wandlung im Halt
wann lerne ich
dass verantworten
Freiheit bringt
ob ich mich kenne oder nicht
wann lerne ich
dass der Entschluss
lieben zu wollen
alles ist
schweige
wir werden wieder sagen
es ist doch nur ein Traum
dabei gewesen — wir niemals
trinken Bier auch ohne Schaum
bescheiden artig fein und lieb
wir hätten einfach zu gesehen
wer soll so was auch schon verstehen
wir hatten nur die Augen auf
zu Sehen das ist die andere Tat
von der raten wir euch immer ab
da hinter das Verhängnis lauert
schon mancher hat zu viel gesehen
die Welt konnt’ ihn dann nicht verstehen
bald hat man ihn nicht mehr gesehen
Schweige
reißen Nächte dir die Augen auf
im Herzschlag klopft die rohe Tat
es schreit durch einsam Räume
vertreibt dein Verstehen deine Träume
du selbst unfähig dein Tun dein Schweigen
zu glauben zu verstehen wo doch
dein Unrechttun aus allen Poren spricht
schnell zu gezogen eisern Vorhang
hier ein Glück man hört dich nicht
und Morgen ja es wird gleich tagen
schweige gut
und frage nichts und leugne deine Augen
sonst verdürbe alles wär doch schade
was kann dir denn schon geschehen
du warst es nicht und außerdem
sie haben’s alle doch verdient
warum kamen sie auch her
am falschen Ort zu falscher Zeit
auf falschen Wegen die wir legen
so geht es halt das ist das Leben
es war so und so wird es sein
dem Höheren geweiht
glaubst du irgend einem Sinn
und predigst ihn dann hin
das Leid das Geld die Münzen schwer
der Krieg die Waffen bitte sehr
wir haben manches nehmen müssen
was wir nicht wollten doch geschenkt
ihr hättet schon und überhaupt
schweige
wir Beizen das Rosa dir
von jedem Himmel
zerfrißt es dich von Innen
Gewinne Linderungen bringen
Sie leiden doch sie sterben
kam es dir so vor
ach schau nicht hin
dein Jammern Flehen ach ich Armer
ach ich bin ein mutterloses Kind
es ist ein kurzes Leben
darum doch ist alles mir bestimmt
und sicherlich für mich gegeben
Ellenbogen ausgepackt Zäune Rüstung
Grenzen her und einfach nur das Meer
mein Räum mein Recht mein Reich
mein Platz besitzen sollt’ ich alles
dann ist es still
dies schweigen klug
nicht zu denken an Betrug
oh lächle ich ganz zuckersüß
schweige weiter
voller Orden voller Schein
so reich so machtvoll ich allein
ich schweige gut und sehe konzentriert
weil ich ja alles alles haben will
Die Welt ist mir das Leben auch
wie sinnig klar und einfach dieser Brauch
Jeep
Ich sah
einen Jeep
teuer teuer
um die Ecke
fahren
meine Seele
erbrach
eine Fahne im Wind
viel Asche
Verbranntes
und falsches Licht
das „Auto“„der Jeep“
er tuckert und blubbert
ein Tiger aus Gift
der Dreck
der übrig bleibt
von all der Forschung
wo sollen können
wir ihn entsorgen
verpestete Welt
von Missverstehen
ich schaue und breche
und Gott sei Dank
weine ein bisschen
warmer Regen!
Plötzlich Wuchsen Kirchtürme
Plötzlich wuchsen die Kirchtürme
schwarz gegen das Licht
wie nasser Ruß
standen sie
vor tief hängenden Himmeln
ein Meer
verloren wirkender Häuser
duckte sich um sie herum
verdrängte Buntheit
verlassene Vielfalt
aufgehaltene Bewegung
ein grauer Straßenfluss
windet sich durch
die seltsam aufgerissenen Räume
bei jedem Schritt
schwingt eine tiefe mahnende Glocke mit
bang huscht das Licht
zwischen Fenster und Türen
umschleicht den grauen Turm
ein Hauch von innegehaltenem Sturm
wenn doch der Regen kommt
und der Turm zerfließt
und das Licht sich breitet