Exposé

By K. Finkenau18 Minutes

Exposé:

2006 ist das Buch Lob der Disziplin von Dr. Bernhard Bueb veröffentlich worden und hat viel Aufmerksamkeit erhalten. Bald darauf veröffentlichte Prof. Dr.Brumlik glücklicherweise eine wissenschaftliches Gegenbuch. Das Buch von Herrn Dr. Bueb hat mich auf das Tiefste erschreckt und ich fühle mich verpflichtet dazu Stellung zu nehmen. Die Behauptungen in diesem Buch dürfen nicht so stehenbleiben und hingenommen werden. In aller Öffentlichkeit Stellung zu beziehen scheint mir unausweichlich. So habe ich dieses Buch, Mut zur Verantwortung geschrieben. Es richtet sich an alle Menschen und soll alle Menschen in ihrem alltäglichen Leben ansprechen. Ich hoffe, dass es die Wahrnehmung des Menschlichen schärft, dass es Verständniss für die menschliche Situation weckt und dass es wachrüttelt, insofern, dass wir nicht in vergangene Erziehungs- und Verhaltensmuster fallen. Mein Hauptgrund es zu schreiben ist die Verteidigung der Kinder. Die in dem Buch von Herrn Dr. Bueb geäußerte Meinung über Kinder ist verheerend. An diesem Buch entlang laufend habe ich aus der Perspektive eines Erziehers in leicht lesbarer, unterhaltender und persönlicher Form die Fragen in Bezug auf Kindheit und Erziehung angesprochen und die heutige Zeit aus einer anderen Sicht beleuchtet. Ich hoffe vielen Menschen, die mit Kinder zu tun haben, Mut und auch Rückendeckung zu geben für die besondere und auch besonders wichtige Aufgabe, des Zusammenseins und des Umgangs mit Kindern und der Wahrnehmung des Menschlichen in unserer Zeit. Das Buch von Herrn Dr. Bueb darf nicht unwidersprochen stehen bleiben. Mit meinem Buch habe ich aber versucht weit über das Widersprechen hinauszugehen und neue Wege aufzuzeigen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
Hiermit übersende ich Ihnen das erste Kapitel meines 12 Kapitel langen Buches. In meiner Person selbst möchte ich gerne im Hintergrund bleiben. Auf das Buch aufmerksam wurde ich auch deshalb, weil ich selbst Schülerin von Dr. Bueb in Salem gewesen bin. Ich würde mich sehr freuen, wenn es veröffentlicht werden könnte, da ich es dringend notwendig finde einiges über Kinder und den Umgang mit Ihnen ins richtige Licht zu rücken und klarzustellen. Auch hoffe ich all denen, die sensibel mit Menschen umgehen, Rückendeckung und Kraft zu geben.

mit freundlichen Grüßen,

Ihre K. Finkenau

 

1.Kapitel aus „Mut zur Verantwortung“

Wir leben jetzt in einer Zeit, in der wir dazu verführt werden alles in Massen zu sehen, uns in Massen zu fügen, Massentrends zu folgen, Massenmedien zu lauschen, Massenproduktionen, Massenveranstaltungen. Die Masse läuft mit. Und zum anderen grenzen wir die jeweiligen Massen streng von einander ab, möglichst keine Berührung. Ebenso auch keine Verbindung. Eine einmal eingenommene Massenseite ist fast unmöglich zu wechseln. Die Masse hat eine berauschende Wirkung auf uns, der Mensch in der Herde. Manchmal bekommt man Sorge, ob es gut gehen kann mit diesen strömenden Massen, die eine Eigenmotorik entwickeln und jedes individuell bewusste Antworten, Tragen, Durchdenken, unmöglich machen. Und das Ganze wird auch noch geleitet und benutzt von großen wirtschaftlichen Geldgeschäften. Hilflos und dumm eilt der Einzelne verloren mit und in der Masse wird es nicht schwer sein diese Herdentriebkraft auf die seltsamsten und schlimmsten Wege zu leiten. Es ist eine dringende Aufgabe für den Menschen das Bewusstsein zu erlangen für sich selbst und für den Planeten Verantwortung tragen zu können, er muss antworten und auch ein Nichtantworten ist Antwort. Es ist das allerwichtigste ein eigenständiges Individuum zu werden, ein Mensch der sich annehmen kann und in seine Umwelt einbringen kann. Je mehr ein Mensch dies kann, umso friedlicher wird das Zusammenleben sein können und umso humorvoller und interessanter. Der eigene Frust muss nicht wahllos über den Anderen oder in die Umwelt gekippt werden. Sich blind und brav und diszipliniert in eine Masse zu fügen ist sicherlich bequemer für diejenigen die eigene, meistens eigennützige und gefährliche Pläne umsetzen wollen, aber es kann kein Ziel für Erziehung sein.

In Erziehungsfragen halte ich auch das Anpreisen von Privilegien für ein – wenn überhaupt – äußerst nebensächliches Mittel, die Tatsache, dass ein Schüler sich für die Gemeinschaft einsetzt und einsetzen kann, ist schon Belohnung. Unter Umständen braucht er für den Mehreinsatz mehr Mittel oder mehr Pausen oder irgendwelche anderen Umstände, so seien sie ihm gegeben und die Gemeinschaft sollte ihm Anerkennung und Dank erweisen, aber dieses erzwungene hierarchische Ordnen, in Oben und Unten, ist wenig anstrebenswert und für den Menschen eher gefährlich, sowohl für den Obenstehenden, wie für den Untenstehenden. (S89)
Besonders furchtbar finde ich die Erziehung zum Denunziantentum, was auf jeden Fall mit Petzen und Verpfeifen beginnt, und ein grundsätzlich falscher Weg ist miteinander umzugehen. (S87) Er separiert die Menschen und erzieht sie in Kombination mit Privilegien zu Spitzeln. Das Bewusstsein sollte sowieso weg von dem ewigen Auf- den- Andren- Schauen, was hat er, was hat er nicht, dieser ständige krankmachende Vergleich, die Erziehung zur Neidgesellschaft. Neid ist Unwissenheit. Unsere Kinder in der Schule dadurch in den Griff bekommen zu wollen, dass sie sich gegenseitig verpetzen ist eine widerliche Verweigerung unsere eigene Aufgabe zu übernehmen und uns dem Abenteuer Leben zu stellen. Wenn sie nicht rauchen sollen so nützt es gar nichts, dass wir sie deshalb erwischen, weil jemand sie verpetzt hat. Eigentlich hat das nur eine Folge, dass wir die Gemeinschaft der zu Erziehenden brechen und sie gegeneinander aufhetzen, und sie gegen einander misstrauisch und ungleichwertig zu machen. Das ist nicht unser Recht. Es ist ihr Recht eine Gemeinschaft zu sein, der wir, als Erzieher entwachsen sind und die wir nicht spalten dürfen und die wir als solche achten und anerkennen müssen. Diese gilt es zu stärken. Sie sollten lernen sich in dieser Gemeinschaft zu verbünden zu schützen und gegenseitig zu stärken, und in keinem Fall sich gegenseitig zu verpetzen. Die Arbeit des Erziehens sollten sie dem Erzieher überlassen und er darf ihre gegenseitige Nähe nicht für seine Zwecke nutzen und zur Entlastung seiner Arbeitsaufgabe missbrauchen. Er muss den Regelübertreter schon selbst erwischen und sich damit auseinandersetzen.
Sehr fraglich ist für mich der Einsatz von Macht in der Erziehung und im Kinder Eltern Verhältnis. Das Wort Macht birgt mehr Gefahr als das es Gutes und vor allem Wichtiges bringen könnte. Selbstverständlich ist der kleine Mensch, der Säugling, das Kind uns komplett ausgeliefert. Wir müssen das allerdings dem Kind nicht beibringen, das weiß es, erlebt es, das ist die Natur der Sache, die ihm auf das ursächlichste spürbar ist. Wir können ihm Türen in die Zukunft öffnen und in dieser Weise an der zukünftigen Geschichte bauen. Es ist meiner Meinung nach ein Irrsinn zu glauben ein Säugling wolle über uns Macht erlangen. Er sucht schlichtweg und einzig einen Weg zu überleben, und kann zunächst nur über Laute seine Bedürfnisse äußern. Was ist eigentlich an der Erfahrung so schlecht, wenn der Säugling erfährt: “wenn ich ein Problem habe Angst, Einsamkeit, Kälte, Hunger, Durst, Bauchweh, Müdigkeit, oder irgendetwas anderes kommt jemand, erhalte ich Nähe, erhalte ich Hilfe Resonanz, Antwort? Es ist eine für mich nicht tragbare Meinung, Kinder kämen als Barbaren auf die Welt, übten eine Tyrannei aus. S:(55/56)und die Eltern müssten ihre rechtmäßige Macht dagegen behaupten. Ebenso halte ich es für eine unglaublich schlimme Falschaussage, Kinder seien von Natur aus träge und Egoisten, und die Erziehung solle ihnen zur Überwindung ihres Egoismus und ihrer Trägheit verhelfen (S. 96).
Kinder sind gleichwertige Menschen von Anfang an. Sie sind einem anvertraut. Sie sind von Anfang an alleinige Individuen, mit einem einzigartigen Leben und Lebensweg und einer einzigartigen Chance. Es ist unsere Chance, uns ihnen Zuzuwenden in Fürsorge und Achtung. Nehmen wir unsere Aufgabe war, so glaube ich, werden wir überrascht sein, wie wenig Egoismus und Trägheit uns begegnen wird und welche große, wache Zuwendung und Achtung uns plötzlich zu teil wird.

Die Kunst der Erziehung (S. 13) ist uns nicht verloren gegangen, wir müssen die Kunst der Erziehung erst entdecken! Wir können aus allen Erziehungen der Geschichte lernen und aus den Erfahrungen Schlüsse ziehen, aber es kann nicht gut sein vergangene Erziehungsweisen wieder aufzunehmen, wir müssen weiterüben die Menschlichkeit zu erkennen und an einer friedlichen, segensreichen Zukunft zu bauen. Eine Erziehung dorthin haben wir noch nicht gefunden. Glücklicherweise haben wir schon viel über den Menschen gelernt und es sind weltweite Kinderrechte entstanden. Der Mensch ist ein zerbrechliches Wesen und am Anfang seines Lebens am meisten. Seine Erziehung nur in die Nähe von Dressur zu bringen ist eine große Unterschätzung des kindlichen Menschen. (S.27)
Wir müssen zu unserer Geschichte stehen, uns darin erkennen und befreien und den Mut aufbringen zu einer neuen Zukunft und dürfen unsere Kinder nicht zurückziehen aufgrund unserer eigenen Verletzungen, unserer eigenen Unwissenheit und Schwäche. Wir müssen lernen mit unglaublich vielen Unsicherheiten zu leben und trotzdem Verantwortung übernehmen, uns bekennen und an etwas Neuem bauen. Es macht Spaß zu arbeiten, zu dienen, das Leben mit Energie zu füllen, es macht Spaß Verantwortung zu tragen, etwas Sinnvolles zu tun, an wichtigen Dingen mitzuwirken. Es macht keinen Spaß einsam Macht auszuüben, zu unterdrücken, unterdrückt zu werden, nichts tun zu können, nicht mitwirken zu können, keine Verantwortung übernehmen zu dürfen.
Im Ganzen frage ich mich auch mit welcher absoluten Sicherheit sich eine gewaltige Menge der Erwachsenen in einer gottnäheren Position sehen, einer auf jeden Fall Gott näheren als die Kinder, und von da aus überlegen, meinen, richten und strafen und züchtigen zu können?
Es ist doch erschütternd für mich zu sehen, dass solch ein Buch soviel Erfolg hat, ein Buch das mit allem behauptet Kinder seien Egoisten voller Trägheit, „Barbaren“ Laut einem Zitat von Freud, und das in einem Jahrhundert, indem wir uns doch freuen können, dass es Rechte der Kinder gibt, dass Kinder ernst genommen werden sollten, als vollwertige Individuen. Kinder sind gleichwertige und vollwertige Menschen! Es sind vollwertige Individuen, die sich entwickeln wollen, und zunächst mit einer großen physischen Hilflosigkeit und Abhängigkeit ausgestattet sind und somit angewiesen sind auf Schutz und Fürsorge und Ernährung. Die gesunde Natur des Menschen ist auf Fortentwicklung ausgerüstet. Er erhebt sich um auf 2 Beinen aufrecht zu gehen und das ist ihm Freude. Er ist neugierig und Fantasie begabt und in fortwährender Entwicklung.
Gerade Astrid Lindgren hat mit ihren großartigen Büchern auch das Bewusstsein über Kinder weltweit vorangebracht. Abgesehen davon, dass sie viele, viele Kinder Herzen und Gemüter zutiefst bewegt mit ihrer feinfühligen, klaren und näher bringenden Art, dem tiefen Verständnis für Kinder und Erwachsene, dem weisen Wissen über das Leben bereichert und erfreut. Oft habe ich gedacht, ihre Bücher sollten von allen Erziehern unbedingt gelesen werden, in ihrer tiefsinnigen Art kann man sehr viel über Erziehung und den Umgang und das Miteinander mit Kindern lernen, auch den Umgang mit schweren Krisensituationen. In allen Büchern auf jeden Fall wird allen Menschen individuelle Anerkennung und Wert zugeteilt, und der Leser empfindet Achtung für alle Personen. Ebenso rettet sie die lesenden Kinder in eine Welt, in der sie die ihnen im Leben vielleicht nicht entgegengebrachte Anerkennung erhalten und in der sie ein eigenes anerkanntes Individuum sein können, worauf sie eigentlich auch im Leben ein Recht hätten. Meistens, sowie auch im Buch von Herrn Dr. Bueb, wird Pippi Langstrumpf erwähnt, weil sie die bürgerlich spießige Welt in gewisser Weise in Frage stellt und auf festgefahrene Strukturen hinweist. Ich weiß aber gar nicht ob das nicht nur das Wesentliche für die erwachsenen Leser ist und der kindlichen Leser viel mehr Freude an der Individualität hat, an der Erlaubnis Fragen zu stellen, infrage zu stellen. Vielen Kindern ist es vielleicht gar nicht wichtig, sie finden es sogar blöd, dass Pippi sich in manchen Situationen nicht benehmen kann, aber gerade dadurch lernen sie die Wachheit des eigenen Lebens und die Unterscheidungsfähigkeit, was für sie richtig ist und was nicht. Pippi Langstrumpf tut bei aller Auflehnung, Infragestellung der Gesellschaft, bei allem Nicht-gehorchen nichts Böses, niemand etwas zu leide im Gegenteil, sie hilft retten, tröstet, sie trägt Verantwortung für ein Haus, ein Pferd, einen Affen und ihren Alltag und ihr Leben, Sie zeigt, dass es ist nicht so einfach ist, dass man allein durch Gehorsamkeit noch kein guter Mensch ist.
Es kommt bei der Bewertung von Dingen immer auf das richtige Maß an. So sind auch Gesetze immer wieder neu zu betrachten und an eine Sinnhaftigkeit gebunden. Es kann sinnvoll sein in Bausch und Bogen etwas zu verbieten, wenn der Zeitgeist, die Situation es verlangen, z. B. Missbrauch, wenn im Interesse einzelner Maßlosgewordener ganze Massen abhängig gemacht werden, aber es kann zu einer anderen Zeit oder Situation sinnvoll sein, das selbe zu erlauben. In dieser Weise sind uralte Gesetzte und Bräuche auch zu betrachten und immer wieder zu hinterfragen. Die ständige Fortentwicklung des Lebens zwingt jede Zeit den Sinnzusammenhang vorhandener Gesetze zu überprüfen und neu zu erringen. Für den Menschen ist es vielleicht schwierig, das die meisten Gesetze, eingeschlagenen Wege nicht unendlich sinngefüllt sind, dass es vielleicht keine allgemein-immer-gültige Wahrheit geben kann, sondern dass es immer wieder gilt neue zu erringen. Der Mensch ist sich selbst ausgeliefert in gewisser Weise und er kann sein Leben annehmen und immer weiterentwickeln. Die Kinder sind eine tiefe Begegnungsmöglichkeit

Der Mensch in seiner Existenz hat von Anfang an mit Grenzen zu tun und Maßeinheiten, die Körperlichkeit an sich und die Zeit, Er erkennt sich innerhalb dieser Begrenzung, die erste ist seine Leiblichkeit. Seine Lebensumstände sind Raum und Zeit und Gewicht, er entdeckt sich innerhalb dieser Grenzen, braucht sie sozusagen. Er muss lernen mit Maßeinheiten umzugehen.
.
Das Fanatische ist das krampfhafte, krankhafte Festhalten an alten Strukturen, vielleicht einstmals sinnvollen Strukturen, aus Angst vor dem Fluss des Lebens.
Ein bisschen scheint mir dieses Buch, “Lob der Disziplin“, geschrieben, getrieben von der Angst vor dem Neuen, aber es ist nicht der Weg es mit vergangenen Verhärtungen in den Griff zu bekommen.