Eltern sein, Begegnungsmöglichkeit mit dem Menschsein

By K. Finkenau4. Juli 202011 Minutes

Nicht, dass wir in unsere Härte schlittern.

Oft drängt sich unser Erwachsenenleben, das wir gewohnt sind und haben wollen vor all die neuen Bewegungen die Kinder bringen. Wenn wir unser Erwachsenenleben nicht so haben können, wie wir es uns vorstellen, fühlen wir uns bedroht und es ist uns etwas Wesentliches, uns Zustehendes genommen.  Gehen wir davon aus, dass die Kinder nur das, was wir ihnen hart beibringen, was wir sie lehren, wohin sie von uns gezerrt, gezogen werden. Spricht das dafür, das wir denken, der Mensch sei von sich aus schlecht, und das Gute müssen wir ihn lehren, wir müssen die Kinder zum Guten erzeihen. Dieses ins Gute ziehen verführt uns in den Kindern Fähigkeiten zu übersehen und garnicht erst zu erkennen. Vor allem aber läßt es uns die Zuneigung, die sie uns entgegen bringen, übersehen. Außerdem, da wir um unsere eigenen Grenzen in dieser neuen Erfahrung mit uns anvertrauten Kindern wissen, macht es uns Angst, wenn das Kind nicht tut, was wir als richtig und gut propagieren. Es könnte uns blamieren, aus unseren Kontakten werfen, aus unseren Freundschaften und aus den, in Familien schwer erworbenen Rangordnungen, stoßen. Es könnte uns als Eltern versagen lassen. So kann es passieren, dass wir beginnen das Kind als Feind zu betrachten, was eine schlimme Tragödie ist. Das Kind scheint uns ein Wesen  zu sein, das gedrillt werden muß. Durch unsere emotionale Verwachsung mit dem Kind geraten wir in ein Dilemma. Wir wissen, dass wir es ja lieben sollen, wir wissen, dass ihr Herzeleid mit unserem Herzeleid verwoben ist. Das macht uns wiederum Angst. Diese wird durch Strenge, durch Strafen beschwichtig. Auch  bemänteln wir die Härte damit, dass wir es aus Liebe tun, tun müssen. Sozusagen als heldenhafte, aufopfernde Leistung. Und das macht das Kind schuldig. Und dazu noch zu einem undankbaren, stets fordernden Wesen, das unsere Liebe nicht zu schätzen weiß. Diese Angst ist kein guter Ratgeber, sie führt uns von uns selbst und von den Kindern fort. Sie treibt uns in die Arme fest geschriebener Systeme und läßt uns den Erziehungsmethoden dieser einen Zeit und dieser Gesellschaft, in der wir gerade sind bedenkenlos folgen. Wir erlangen vielleicht Sicherheit und gesellschaftlich  funktionierendes Familienleben.  Wir wagen nicht auf uns selbst und unsere Kinder offen ein zu gehen und auf unsere Gefühle zu hören. Wir erklären uns unsere Elternaufgabe über das Außen, und verlieren an Offenheit und verstehen nicht mehr, dass es gilt uns als Eltern erst selbst kennen zu lernen und unsere Kinder kennen zu lernen. Wir wachsen gemeinsam in ein neues Gemeinsam. Wir erfahren aber auch unsere Verantwortung das erstemal in dieser Beziehung. Dieses Gewicht kann man sich, bevor ein Mensch tatsächlich geboren ist, nicht wirklich vorstellen. Die Gesellschaft verlangt aber, dass man selbstverständlich damit umgehen kann. Man hat stillschweigend einen vergnügten Weg zu gehen, als ob es das leichteste, selbstverständlichste auf der Welt ist, einen neuen Menschen in seinem hilflosesten, verletzlichsten, abhängigsten Zustand in seinem Leben anvertraut zu bekommen. In jedem Beruf, ja beim Fürerschein macht man sich mehr Sorgen, mehr Gedanken. Ist ja auch angeblich einfach, hat einfach zu sein, man ist stolz, glücklich, liebt auf Anhieb und macht alles richtig. Dass wir uns selbst auch nicht in solch einer Beziehung kannten und auch nicht wissen, was mit uns passiert und was auf uns zu kommt, wird vollständig verdrängt. Noch dazu ist der Zustand Elternsein nicht rückgängig machbar, es ist so gesehen auch eine Geburt als Eltern.  Noch dazu sind wir im nahesten Verhältnis, das es gibt. Wir sind emotional verwoben und unsere Geschichte, sowie unsere Zukunft auch.  Selbst wenn wir es uns innigst gewünscht haben, wenn wir glücklich sind, wenn wir lieben, wenn wir gut vorbereitet sind, heißt es nicht, dass es eine einfache Aufgabe ist, dass es uns leicht fällt, dass wir nicht fort an ständig Fragen haben, dass wir uns, die Kinder, das Leben in Frage stellen, dass wir unsere Grenzen tatsächlich sehen und fühlen. Unser eigenes Leben hat direkte Auswirkungen auf ein anderes Leben. Wäre es da nicht wichtig, Eltern zu stärken, zu trösten, zu achten, zu ermutigen? Unsere Gesellschaft verläßt Eltern, bietet Abnahmemöglichkeiten um Berufe aufrecht zu halten und Geld zu verdienen, ansonsten schiebt sie Kinder und Eltern beiseite. Der Elternteil, der die Hauptversorgungszeit übernimmt, wird für diese Zeit in eine Einsamkeit und einen Konkurrenzkampf gedrängt. Eltern die voll Zuversicht und mit einem gesunden Selbstwertgefühl als Eltern starten, können offener und geduldiger mit sich und den Kindern sein und sich leichter Wahrnehmungszeit nehmen. Ein Mensch wächst heran und bildet die Zukunft, wird die Zukunft gestalten. Hier bietet sich einen einmalige, wirkliche Chance für Veränderung zum Positiven, an dieser Stelle kann jeder Einzelne in die Zukunft eingreifen. Politische Machthaber wissen das und nutzen das. Unglücklicher Weise bewertet unsere Gesellschaft diese Zeit, als eine Möglichst-schnell-hinter-sich-zu-bringende, anstrengende, Kosten aufwendige Zeit. Dabei braucht ein Mensch nur 6 Jahre imtensivere Betreuung, dann ist er schulreif und verbringt den größten Teil des Tages im der Schule und bei anderen Unternehmungen. Die Ausbildung zum Arzt braucht zum Beispiel viel länger. Im alter von drei jahren ist die psychische Geburt des Menschen und ein Großteil an gesellschaftlichem Kontakt ensteht und der Kindergarten kann genutzt werden. Welche Ausbildung zu irgendeinem Beruf ist kürzer als drei Jahre?  Auch nach Unfällen haben wir kein Problem zu sehen, dass ein halbes Jahr Rehabilitation sein muß. Kann es sein, dass wir tatsächlich der intensivsten Zeit des Menschen am wenigsten Zeitraum zu gestehen sich ins Menschsein auf Erden hinein zu leben?

Betrachten wir ein Kind als ein Wesen, dass alles in sich hat und uns das Leben lehren kann? Öffnen wir die Augen? Können wir in den Augen der Kinder den Menschen erkennen? Einen uns anvertrauten Menschen, der in einmaliger Weise an uns gebunden ist, der vollständig von uns abhängig ist, dessen Leben bedroht ist, wenn wir uns nicht zuwenden? Wenn wir uns auf ein Suchen begeben, dann beginnen wir die Eltern-Kind- Beziehung, als eine Begegnung von Mensch zu Mensch  zu sehen, als Aufgabe am Mensch-sein, am Leben.  Wir ermutigen uns auf Neues zu zu gehen, und müssen uns nicht in Angst verkrampfen, können uns in dieser Situation achten und anerkennen, können uns auf das Kind einlassen, das am allermeisten die Erfahrung braucht von uns geliebt zu werden.  Eltern sein ist eigentlich automatisch eine Bejahung des Lebens. Und wir kommen dem Leben auf ungewohnte Weise sehr, sehr nahe. Wenn wir uns den damit verbundenen Fragen, Ängsten, Überforderungs-gefühlen offen stellen können, werden wir nicht verhärten müssen und uns von uns selbst entfernen. Sicherlich kann man dem Leben auch in anderen Situationen so nahe kommen, auf vielen verschiedenen Lebenswegen, manche auch vielleicht durch Meditation oder anderes, durch Schicksalsschläge und vielerlei Erfahrungen, allerdings, glaube ich, dass man als Eltern radikaler hineingerät und sich komplett stellen muß.

Wenn ich all diese Gedanken betrachte, was bedeutet dann noch der Standard unseres eingewöhnten, Erwachsenenlebens. Unser Mithaltenszwang, unsere Vorstellung, wie die Dinge zu gehen haben?

Das Kind will alles lernen und gut machen.  Man wagt nicht zu glauben und da hinein zu vertrauen, dass das Kind aus sich selbst heraus, lernen möchte und es gut machen möchte. Das Kind will uns folgen, will es uns gut machen. Wenn das vielleicht von außen nicht so aussieht ab und zu, liegt es daran, dass das Kind seine Nöte noch nicht gezielt und klar ausdrücken kann, seine Gefühle  noch nicht klar einschätzen und umsetzen kann, seine Angst nicht artikulieren, nicht seine Bedürfnisse zu stillen weiß. Es ist von großer Bedeutung nie zu vergessen, dass das Kind uns liebt und zunächst garnicht anders kann. Es ist in unsere Hände gelegt es zu schützen und zu stärken und zu nähern und geborgen zu halten, dass es seine Liebe leben kann. Im Bewußtsein, dass das Kind uns liebt und einzig sich danach sehnt von uns geliebt zu werden, können wir nicht verfehlen Wärme schenkende Eltern zu sein. Selbst unsere Unfähgigkeiten und unser Scheitern, unsere Fehler werden von diesem unzerstörbaren Wissen aufgefangen und geheilt. Die schwierigen Verfehlungen passieren dort, wo unser Mißtrauen dieser Wahrheit gegenüber beginnt, wo uns Zweifel an diesem Tatbestand kommen. An dieser Stelle, denke ich, beginnt die Tragödie. Jede schlimme und harte Erziehung ist aus der Angst und dem Zweifel und dem Nicht-ans-Gute glauben können, entstanden.

Härte in der Erziehung schafft mehr Härte und eines Tages steht die ganze Härte vor uns und wir zerbrechen darunter.