Brief an Barbara Bleisch
Von ihren interessanten Interviews, Ihren so sehr guten Fragen und Ihren hilfreichen Einfügungen, bin ich sehr begeistert. Auch die Lebendigkeit in ihren Gesprächen hat etwas Erfreuendes, Mitreissendes. Ich versuche keine Sendung zu verpassen! Sie wecken besonders weiterbringende Aussagen in Ihrem jeweiligen Gegenüber!
Nun habe ich die Sendung vom Sonntag den 24.April gesehen, und mitten im Gespräch, mir kam es vor, als hätten Sie kurz ein bewunderndes Auge, ein bisschen sich selbst einknickendes, auf die Alleinlebenden geworfen. Sofort entstand in mir der Wunsch etwas dazu zu sagen. Auch ein bißchen dieses Gefühl, die wertvolle Leistung und Herausforderung auch Ihnen zu bestätigen, die darin liegt, zusammen in einer Familie zu leben. Nur um zu sagen, dass ich nicht aus dem Blauen spreche, füge ich hinzu, dass ich Beides eine längere Zeit gelebt habe, und dass ich mir sehr viele Gedanken immer schon mache, über das menschliche Zusammenleben und Umgehen miteinander. ich dachte erst einen Leserbrief zu schreiben, aber ich fand nicht den richtigen Weg es umzusetzen und so dachte ich, es direkt an Sie zu schreiben.Viel gibt es zu lesen über Beziehungen, über Zusammenleben, Zusammenlebensformen, über Partnerschaften oder Singledasein.
Mitten in der Sendung erschien es mir auf einmal, als sei ein positiver Wert des Zusammenlebens ganz aus gespart.
Und da es mir überhaupt so erscheint, als sei dieser Wert neben all unseren Selbstverwirklichungswerten und all unserer Individualisierung ein wenig in Vergessenheit geraten, will ich ihn in den Vordergrund rücken. Sicher hat alles seine Vor- und Nachteile, mehr oder weniger vorgeprägte Romantik und vieles mehr.
Auf jedenfall muss ein Wandel in unserer Zeit auf allen Ebenen geschehen und es ist so vielversprechend für unsere Zukunft, dass er sich in Beziehungsformen zeigt.
Diesen Wert, den ich meine ist dieser, dass zwei Menschen, die an einem Strang ziehen, unendlich mehr schaffen können, als einer jemals allein schaffen kann. An einem Strang ziehen ist natürlich die Voraussetzung. Wenn zwei an einem Strang ziehen, sind sie stärker, als es zwei einzelne Leute je sein können. Man kann weitaus mehr erreichen, mehr gleichzeitig schaffen, man kann sich gegenseitig bestärken und mehr Mut entwickeln und Unabhängigkeit, auf eine gewisse Weise ist man nicht so tief angreifbar.
Im Gespräch der Sendung kam zur Sprache, je besser der Einzelne mit sich selbst zurecht kommt, je besser läßt sich eine Beziehung positiv führen, was sicher wahr ist. Hinzugefügt wurde der Gedanke, dass man allein leichter weise wird, das allerdings wage ich zu bezweifeln. Sicherlich muss man allein in gewisser Weise stärker sein, man muß die Dinge für sich alleine lösen, sich alleine stellen und die Konsequenzen alleine tragen. Keiner wird einen beschützen, verteidigen oder sonstwie bestärken, retten, decken. Was oftmals schnellere und schärfere Konsequenzen hat, die ohne Frage sehr lehrreich sind. Dieses Alleine-Stehen erfordert mehr Kraft, lockt mehr Ängste hervor, ich glaube medizinisch gibt es dazu auch Untersuchungen.
Auch ist es aber so, dass das Alleinleben keine Rücksichten erzwingt gegenüber einem Partner, im Gegenteil, es gibt viel mehr Freiheiten. Es überläßt einem alleinige Kontrolle über sein Leben, seinen Alltag, seine Freizeit, sein Gehabe. Sehr vieles unterliegt der vollständigen, alleinigen Kontrolle. In gewisser Weise läuft man Gefahr unflexibler zu werden, unbeweglicher, bestimmter in dem, was man wann wie wo zu brauchen scheint oder nicht, was man wann wie wo warum tun zu können meint oder nicht. Es kann sein, dass man im eigenen Sumpf stecken bleibt, in seiner Ordnung und den Dingen, die man meint zu brauchen oder nicht. Der Fokus ist auf sich Selbst und man selbst ist der Mittelpunkt seines Lebens. Im Alleinleben haben wir unser Leben auf eine besondere Weise ungestört im Griff und unsere Konzentration ist auf uns selbst gerichtet. Das kann in eine verzerrte Wahrnehmung über Lebensralität führen, und auch auf seelischer Ebene ein Verarmen mit sich bringen. Ich betone es kann, bekanntlich führen viele Wege und Umwege nach Rom. „Weise“ ist ein tiefes Wort. Weise zu werden scheint mir schwierig und keinesfalls automatisch bei Erfahrungen mitgegeben, und durch bestimmte Verhaltensweisen und Lebensformen zu erlangen.
Sehr gefallen hat mir die Aussage, dass man sich in den Begegnungen mit anderen erstens anders selbst erfährt und zweitens, dass Schwingungen in uns in Gang gesetzt werden, die sonst nicht ausgelöst werden. Wir leben und erleben noch eine weitere Seite von uns selbst, die wir allein nicht erlebten, die uns gesamter, vollständiger macht als Individuum. Im Alleinsein wird sie nicht hervorgerufen, entsteht nicht und verkümmert, was wahrscheinlich zu Erkrankungen führen kann. Auch ist nicht zu vergessen, dass wir uns im Gegenüber, mit Gegenüber erfahren. Ohne ein Du kann kein Ich sich finden. Das Gegenüber schenkt uns sozusagen uns und ohne Gegenüber können wir uns nicht finden, verlieren wir uns. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb Einzelhaft nach zu langer Zeit zur Folter wird. Natürlich ist das ein extrem Einsamkeit..
Und ein Gedanke, wenn nun aber zwei, die an einem Strang ziehen unendlich mehr schaffen, bewältigen können, als einer allein, und eine weitere Geschehensebene dieser Schwingung hinzukommt, so vervielfacht sich wiederum ihre Bewegung. Die Schwingung, die bei beiden in der Erfahrung ihrer selbst entsteht durch ihr Zusammensein, und der Verwirklichung eines Tuns, Verhaltens, dass nur von jenem anderen hervorgerufen werden kann, die sie wegen einander erleben und ausleben, verwirklicht weitere vielfache Bewegungen, und Ergebnisse.
Beide verlieren eine gewisse Kontrolle über ihr Leben an allen Teilen, wo der andere frei lebt.
In der Entwicklung, die beide aneinander machen, dadurch, dass sie sich jeweils neu erfahren und darauf reagieren, entstehen auf jedenfall Fortschritte Richtung weise werden. Also sind sie zweimal mehr als 4. Sie können große Dinge erreichen für die sie alleine die achtfache Kraft aufbringen müßten und so weiter. So gesehen ist es schon zu erwähnen, dass das Alleinleben vielleicht weniger Chancen einfach so als automatische Beigabe bietet.
Auch werden große Kräfte freigesetzt, durch dieses „Ich bin da für dich“, oder, „wir gehen gemeinsam durch Leid und Freud“. Natürlich passt dies alles nicht auf destruktive Beziehungen. Sicherlich sind im Grunde alle Menschen einsam, da sie einzig sind, einzige Schuhe tragen, einzige Schicksale leben, aber wir haben die Möglichkeit teilhaben zu schenken und teilzunehmen. Theoretisch nach reinem Errechnen müßten die Menschen, die mit vielen zusammen umgehen am leichtesten weise werden, denn sie sind immer mit vielem Verschiedensten konfrontiert, können zunehmend weniger kontrollieren, müssen zwangsläufig flexibel und tolerant werden. Sie sind immer gefordert.
Klar sind schlimme, zerstörerische Beziehungen auch im umgekehrten Sinne weit aus Zerstörungsmächtiger, als man es alleine je könnte, und es kann eine einzige Rettung sein allein zu leben.
Trotz allem ist die Kraft und große Umsetzungsmöglichkeiten einer positiven, wohlwollenden Beziehung, die man zu zweit hat, unendlich größer.
In heutiger Zeit fehlen mir oftmals Aussagen darüber, was das Zusammentun der Menschen betrifft. Das Alleinetun wird am höchsten, coolsten bewertet.
Vielleicht ist der Andere unsere Chance zum Leben und zur Evolution und zur Weiterentwicklung.
Und unsere Chance ist, dieses auch gleichzeitig anzubieten.
Es scheint mir Wert genau dieses jetzt zu betonen, wo wir uns in weltweiter Verbundenheit voller Mitgefühl erkennen müssen. Und das gerade jetzt in dieser Zeit, wo die Menschheit nur gemeinsam die Klimaprobleme lösen kann, wo wir uns global erkennen müssen, als eine Menschheitsfamilie, ist es wichtig unbedingt den Wert des Zusammenseins zu beleuchten, nicht um anderes weniger werthaft zu machen, sondern um den Wert und das lohnenswerte am Gemeinsamsein zu finden und zu schätzen und Mut uns zu machen auf einander zu zugehen, zusammen zu arbeiten, zusammen Leben auf zu bauen, einander aufnehmen, Platz geben.
Gerade jetzt müssen wir uns aufpeppeln um Mut zu haben auf den Anderen zu zu gehen, sich dem Anderen zu zeigen und sich durch den Anderen kennen zu lernen, sich zu verwirren, seine Fleixibilität ,Toleranz und Kraft zu erkennen. Nur im globalen Zusammentun ist Weltrettung möglich.
Liebe Frau Bleisch, ich wollte Ihnen das schreiben, auch besonders, als Sie sagten, die anderen hätten ihnen etwas voraus, dass es doch eine Frage der Belichtung ist!
Von Herzen Ihnen viel schöne Zeit und Gesundheit
Alles Gute Ihnen!