8. Bär und Hund auf dem Weg in die Stadt

By K. Finkenau12. Juli 202015 Minutes

Der Bär und der Hund  auf dem Weg in die Stadt.
Der Hund schwenkt fröhlich den Einkaufskorb. Ab und zu läßt er ihn sogar los und wirft ihn so hoch in die Luft, dass er sich dreht, dann versucht er ihn am Henkel wieder aufzufangen. „Muß das sein?“ sagt der Bär, „du kriegst ihn noch auf die Schnauze.“
Aber da ist es schon passiert, nur hat der Bär ihn auf die Schnauze bekommen. „Au! Sowas! Ich sag es doch!“ „Oh! Oh, Entschuldigung, das wollte ich nicht,“ aber dann muß er ein bißchen kichern, weil das eine Ohr vom Bär nach vorne geklappt ist und das andere nach hinten. „Ich weiß nicht, was es da zu kichern gibt,“ der Bär richtet seine Ohren auf und reibt sich die Nase.„Geh anständig!“ Der Hund nimmt brav seinen Korb unter den Arm und versucht anständig zu gehen. Er läuft ein wenig vor dem Bär. Der Bär muß lächeln, „geh nicht so blöd.“ „Ich gehe anständig, richtig anständig,“ sagt der Hund und wackelt ein wenig verkrampfter mit dem Po. Seinen Schwanz hölt er gerade, waagerecht, paralel zur Straße und und geht mit den Pfoten ganz eng aneinander.„Das sieht so blöd aus,“ der Bär lacht. „Geh normal!“ Der Hund schlenkert mit dem Schwanz und latscht lustig mit den Hinterpfoten nach außen. „Das soll normal sein?“ „Dann eben so!“ sagt der Hund und geht auf den Spitzen seiner Pfoten, den Schwanz hat er zwischen seinen Hinterbeine geklemmt, und seine Schnauze hält er tief, dicht an die Brust gezogen. „Nein, nein! Das sieht ja schlimm aus!“ „Okay,“ sagt der Hund, „dann geh ich eben wie Hein Schluff.“ Er läßt den Schwanz auf der Straße schleifen und knickt die Beine und Arme tief ein. Bei jedem Schritt läßt er die Schultern tief hängen und schaukelt mit dem Kopf, dazu macht er bei jedem Schritt so ein „hmmö“ Geräusch oder ein „ahäm, und läßt die Ohren schlaff hinunter triefen. Zwischen den „Njöms“ und „Ähäms“ muß er selber lachen. „Oh nein, nein, nein,“ sagt der Bär, „und übrigens, wer ist überhaupt Hein Schluff?“ „Ach,“ sagt der Hund, „dääääsch kann jööööedeär seiiiiii.“ Er dreht sich zum Bären mit hängendem Kopf, hängender Schnauze und hängender Unterlippe und läßt die Zunge so zur Seite raus hängen, als ob sie jeden Moment aus seinem Maul fiele. Nur mit halb geöffneten Augen versucht er, unter anstrengenden Anhebungsversuchen eines Augenlides, den Bär an zu schauen. Der Bär lacht. „Ey! Mach deine Augen, auf das sieht ja aus, als hättest du halbe Augen.“ Der Hund verdreht die Augen noch dazu. „Nein, i gitt,“ Nun nuschelt der Hund, „Ej, nisch, isch bin Hein Schluff, wuuuuuuuuuf wuffffff, und wer sollscht du da sein, du Schokobrummeldrummel?“ er redet ganz langsam und hebt dabei die Vorderpfoten an, als wären sie schwerer als Steine. „Schokobrummeldrummel, was soll das denn heißen?“ „Na Du! Fettmops du,“, der Hund hüpft kurz vor Freude über sein frech sein in die Luft. “Was, hast du gesagt?“ „Als Hein Schluff, ist das eben so. Mach doch auch mal Hein Schluff, Bär!“
Der Bär versucht es. Das findet der Hund so komisch, dass beide nicht mehr anders können, als sich kringelig zu lachen. Im wahrsten Sinne des Wortes, kringelig. Der Bär wird zu einer Kugel, die hin und her kullert und der Hund purzelt komplett eingerollt über den Weg. „Wen gibt es noch?“ fragt der Bär, als er aus seiner Kugel wieder hervor kommt. Aber als er dann den Hund sieht über und über voll Staub, sagt er, „ Oh nein, jetzt können wir nicht mehr in die Stadt. Guck doch, wie du aussiehst.“ Erschrocken sieht er an sich selbst hinunter, „ich Auch.“ „Ach was, wir gehen als alte Leute, guck mal wir sind ergraut,“ der Hund humpelte ein Stück, dann lachte er, „wie du aussiehst, du Opa, du.“ Aber da fällt dem Hund ein, dass sie in der Stadt vielleicht andere Hunde treffen und vielleicht sogar eine Hündin. „ Oh nein,“ er will auf der Stelle nicht mehr mit. „Nein, ich gehe nur schick in die Stadt,“ sagt der Hund. „Ich hatte dir doch gesagt, du sollst anständig gehen.“ „ Bin ich ja auch, was kann ich dafür, wenn du lachst.“ „Du hast den Korb geworfen.“ „Du hättest ja nicht gucken müssen.“ „nur weil du,“ „nur weil Du,“ „und du,“ „und Du,“ „und du,“ „und Du,“ „nein du,“ „nein du,“ „du,“ „du,“ ….Plötzlich streiten sie. „Wegen dir,“ „ wegen dir,“ „du bist schuld,“ „ du bist schuld,“…. Da radelt jemand auf dem Fahrrad an ihnen vorbei. Susi Windeseil, sie ist eine Freundin von Mathilda. Sie ist etwas größer und lauter und schneller als Mathilda, aber eben auch eine Fliege. „Schon wieder solche Typen, die immer nach der Schuld fragen und streiten und meinen es wird von alleine besser. Wie nervig!“ Dann dröhnt sie lauter, „hey ihr Hammel! Der Tag ist Schuld, der Weg ist Schuld, beruhigt euch das? Hauptsache irgendwer ist Schuld, das muß man verstehen, jedenfalls besser aussehen tut ihr davon nicht, jetzt seht ihr nicht nur völlig verloddert und verdreckt aus, jetzt kreischt ihr auch noch blödes Geblubber in die Luft, was das bringen soll?“ „Blödes Geblubbert?“ wiederholte der Hund,“ „ja, blödes Geblubber, die Wolke ist schuld, das Dädä ist Schuld, das Ei ist schuld.“ „Welches Ei?“ sagte der Hund und glotzt zur Fliege auf dem Fahrrad. Aber Susi Windeseil ist schon vorbei. „Sie meint vielleicht, wir wären wie sie aus einem Ei geschlüpft. Fliegen kriechen irgendwann aus so einer Art winzigem Ei und dann sind sie auf der Erde.“ „Wir sind nicht aus Eiern!“ bellt der Hund dem Fahrrad hinterher. „Ein Glück, der Bär und ich sind von was anderem.“ Er schaut den Bär an.“ „Von was nochmal?“ „Ach Hund,“ sagt der Bär, „wir werden geboren.“ „Ach ja ich bin aus Hund, und du aus Bär.“ „Ja, Mutterbär hat mich geboren.“ „und mich Mutterhund.“ Das beruhigt den Hund. „Wir gehören zusammen und sind nicht aus irgendwelchen hingelegten Eierdingern. Die Fliege gehört nicht dazu, die nervt mich eh.“ „Jetzt hör aber mal auf, Fliegen sind auch Tiere und sind genauso wertvoll wie wir.“ „Ich will mit dir zusammengehören,“ sagt der Hund und  kuschelt sich an Bärs Pfote. Beide sind plötzlich sehr schlapp, denn streiten verbraucht sehr viel Kraft, danach sind alle immer erschöpft. „Durst hab ich auch, und du bist noch dreckiger als vorher, weil du so aufgestampft hast.“ „Du aber auch. Und der Korb, was machen wir bloß?“ „Waschen wär gut,“ kichert ein leises Stimmchen. „Wo kommst du denn her?“ Der Grashüpfer Ben lehnt an einen Grashalm am Wegesrand. „Ich bin heut’ ein paarmal gehüpft, nicht der Rede wert und hab euch hier so laut rumstauben hören, erst lacht ihr, dann schreit ihr, dann schnauft ihr und dann wißt ihr nicht weiter. Ich geb euch einen Tipp. Drei Hopser von hier nach links ist ein kleiner See, der ist neu, seit dem der Bagger da ist. Die haben da eine riesen Grube ausgehoben und als es neulich regnete, ist die vollgelaufen. Heute ist da kein Mensch, da könntet ihr euch mal etwas unter dem Dreck hervorholen,“ er schüttelt seinen winzigen Grashüpferkopf. „Wie kann man es überhaupt anstellen so unter Schmutz verborgen zu sein, da frißt euch auch kein Vogel.“ „Ein Vogel frißt uns sowie so nicht,“ schnauzt der Hund. „Dann macht es also gar keine Sinn so verdreckt zu sein, wie kann man so dämlich sein, und das dann machen? Naja, also nach links drei Hopser.“ „Ist sicher sehr weit, wie ich den Grashüpfer kenne,“ mault der Hund. Ben ist schon wieder weggehüpft. Aber dann auf einmal hat der Hund wieder gute Laune. Das Wort hervorholen, findet er schön. „Ich hole mich hervor, hervor, hervor, wau wau, unter’m Dreck, weg weg, wau wau, hervor genau, wauuuu wauuu wauuu wau,“ singt er. Er sieht sich selbst vor seinen inneren Augen, wie er unter einem Dreckberg säße, so richtig klein, ängstlich und schnuckelig. Und er selbst, der große Hund-Held stände vor dem Dreck Berg und sähe voller Rührung hinein. „Zweimal sein, kann man nur in der Fantasie, hatte ihm der Bär neulich erklärt, als er ihm wiedermal eine Geschichte erzählt hatte, in der  er sich selbst gerettet hatte. Das sind die absolut liebsten Geschichten, die er sich ausdenken kann. „Und die Fantaaaasie, lieb ich auch,“ sagt er immer, „das heißt Fantasiiiii,“ korrigiert ihn der Bär jedes Mal. Er stellt sich die Fantaaaaasie wie eine wunderschönen Sternenhundkönigin vor, die strahlt und sieht wunderschön aus, aber dazu ein andermal. Jetzt sieht er sich in seiner Geschichte vor jenem Dreckberg wie er  vorsichtig daran kratzt und  flüstern würde, mit seiner liebsten Stimme, „komm doch kleiner Muckel, komm, komm, ich hole dich hervor, und er schaut warm in die verängstigten großen Augen des kleinen Hundes. „Pass auf,“ ruft der Bär, „du plumpst gleich rein.“ „Ooh nein,“ jault der Hund, „jetzt sind wir zu früh da!“ „Wieso zu früh? Ach, weil wieder einer deiner Träume nicht fertig ist. Dann geh doch nochmal ein Stück zurück und komm wieder. Ich wasch mir schon mal die Füße.“ Der Bär setzt sich an den Rand der vollgelaufenen Grube. „Tatsächlich, ich glaub es nicht, er geht nochmal zurück, wie wichtig dem bloß immer seine Träumereien sind, er hätte doch auch später einfach weiter träumen können. Hoffentlich ist sein Traum zu Ende, bevor er zu weit zurück läuft.“ Der Hund ist in Gedanken fest dabei, den kleinen Hund hervor zu locken. „Oh, wie bist du süß!“ Er nimmt ihn auf die Arme, „Komm Muckelchen, ich hol’ Dich, jetzt kriegst du was zu trinken. Ich hab auch ganz schönen Durst. Aber zuerst du, ich hab dich hervorgeholt aus dem Dreckberg.“ Er klatscht mit seinen Pfoten. „Na zu Ende geträumt?“ fragt der Bär. „Was machst du da immer mit deinen Träumen, wegen denen bist Du viel weiter gelaufen.“ „Mit Träumen laufen macht Spaß, da merk’ ich das Laufen garnicht, die Träume tragen mich gerade zu. Und, das schöne Gefühl innen, wenn die Träume gut klappen, das bleibt jedenfalls, ja das schöne Gefühl ist wirklich, das ist kein Traum, wau.“ „Gut, gut,“ sagt der Bär, „dann hol dich mal hervor, unter dem Dreck.“ „Diesen kleinen Hund hervorlocken hat mir mehr Spaß gemacht, als  mir das wirkliche  Fell zu waschen.“ Er fühlt sich aber noch so warm, von seinem  Rettungstraum, das es ihm doch nichts ausmacht. Nach einer Weile ist es ihm aber zu blöd, mit dem am Rand hocken und Wasser schöpfen, „was tun wir da?“ sagte er, „wir können doch schwimmen,“ und platsch, springt er ins Wasser, der Bär springt ihm hinterher. Sie schwimmen eine Weile und haben Glück, denn, als sie sauber und hervorgeholt aus dem Wasser kommen, haben sich die Wolken verzogen und die Sonne wärmt sie. Sie legen sich auf die Wiese und lassen sich trocknen.