By K. Finkenau234 Minutes

in Erwiderung auf meinen ehemaligen Direktor

1.Kapitel

Eigentlich war es ein normaler Tag, vielleicht ein Freitag – oder besser, sicher war es ein Dienstag. Ich gehe dies und das erledigen, „Bluemonday“ ist vorüber, noch schnell zur Bank, es ist nicht Monatsende, nicht Monatsanfang, Routine, ganz cool, Kontoauszüge halt, ich hab es im Griff. Nun noch das ein oder andere für meine Schüler, einer hat Geburtstag, einer muss besonders motiviert werden, einer braucht etwas Neues, etwas das ihn überrascht.
Auf meinem Weg ist der Buchladen, ach Bücher, Bücher, die du liebst, immer geliebt hast…wann schreiben all diese Autoren sie bloß, und wie bringen sie sie zu Ende, und ganz zu schweigen davon, dann auf den Markt? Manche haben so viele geschrieben, spannende, bezaubernde, ferne Welt, geliebtes Reich der Schriftstellerei, und die Sachbücher … wie konnte man es durchhalten, wie viel Lebenszeit steckt darin und Tapferkeit. Oder hatten sie einen Diener, wie z. B. Kant einen hatte, sicher haben sie Angestellte und einen Lebenspartner, der sie beschützte vor dem Alltag, oder besser den Alltag für sie trug…und die Kunstbücher und die Quatschbücher und…du meine Güte, was liegt denn da: BERNHARD BUEB, der ehemalige Direktor von Salem, mein Direktor.
Er war relativ jung, als er nach Salem kam. Ich hoffte, viele hofften auf ihn, auf den neuen Wind, den er in die Schule bringen würde. Soviel Flair umgab ihn von etwas Hohem. Er wurde Direktor, war berufen worden. Ich bewunderte, wie man so weit kommen kann, so viele Menschen zu betreuen und zu leiten.
Ich ging aus dem Buchladen hinaus in Richtung U-Bahn und dachte an Dr. Bueb. Bis auf dass er mir ein Einzelzimmer zusprach für ein halbes Jahr – warum eigentlich – blieb er unnahbar und fremd. Über vieles, während meiner Internatszeit in Salem, habe ich, aus dieser Perspektive, noch gar nicht nachgedacht. Wenn Fragen in dieser Hinsicht auftauchten, wähnte ich mich als unzulängliche Schülerin, die Lehrer und erst der junge Direktor, kannten die Welt und waren erwählt.

Wartend auf den Zug, dachte ich: was eigentlich, würde ich jetzt sagen, war eine wirklich mein Leben prägende Erfahrung in Salem? Hier am Gleis zwischen den zur Arbeit hastenden Menschen denke ich, dass das Wichtigste und auch Schönste in Salem der Sozialdienst war, die Bekanntschaft mit einer unendlich belasteten Arbeiterin in Armut: schlichteste Kleidung, ein unerträglich dürftiges Zuhause, sodass ich zum ersten Mal die Klarheit von Wasser wie ein Kunstwerk sah. Der trinkende Mann, ihr Blick, ihre Tat, ihre Worte, ihre Kinder und ihr Begegnen allem gegenüber. Eine ähnliche Situation erlebte ich später in einer Kinderkrebsklinik, wo mich dieses aufrechte Weitermachen, dieses stetige an ein Morgen glauben, dieses Schritt für Schritt Tun, diese annehmende Tapferkeit und das praktische Umsetzen, mit einer Positives ausstrahlenden Kraft, tief berührte.

Wie gesagt es war ein Dienstag, und dort liegt es schon wieder in der Bahnhofsbuchhandlung: „Lob der Disziplin“, Dr. Bernhard Bueb. Mein Herz klopft, kauf ich es oder nicht…was hat er wohl geschrieben? Warum dieser Titel? Das Buch ist viel zu teuer für mich, ich kann es nicht kaufen…
Ich muss es kaufen, ich muss wissen, was er geschrieben hat, ich hatte solch eine Hochachtung vor ihm, als Leiter einer großen Schule als einem Menschen, der Etwas vom Leben und Lehren und jungen Menschen versteht. Er war Direktor. 30 Jahre hat er viele Schüler gehabt, nicht einzelne, wie ich. Die Tasche ist schwer, heute habe ich vier Stunden damit zugebracht, einen Tag vorzubereiten. Ich kaufe das Buch schuldbewusst und beginne es sofort auf der noch folgenden Busstrecke zu lesen. So zwischen den Leuten sitzend, schäme ich mich auf einmal für das Buch und den Titel.
Ich bin eine Erzieherin, ich muss das lesen. Ich würde das sonst nie lesen. Ein paar Zeilen weiter dann die Erkenntnis: Wart ihr so, ihr Leiter, habt ihr immer so gedacht? Ich fühle uns Schüler plötzlich verraten, schlimmer eigentlich, mir kommen plötzlich alle Jugendlichen und Kinder verraten vor.
Das Buch verschwindet in der Tasche, die Füße klappern auf dem Asphalt: Kurt Hahn, der Gründer der Schule, würde sich im Grabe umdrehen, denke ich, und gewinne wieder an Boden, drücke die erste Haustürklingel.

Abends wieder im Zug zurück, setzen die Gedanken wieder ein: wie war es damals? Es war eine lange Fahrt damals von Hamburg nach Salem: 12 Stunden, glaube ich, ich erinnere mich an den Zug, die Fahrt, die Fragen, das Aufgeregtsein, das weit fort sein müssen, auf so eine tolle Schule zu dürfen,…Bilder ziehen vorüber – das Ruckeln des Zuges, die Sorgen…, die Zeit in Salem, dann Spetzgart. Dunkle Erinnerungen, Schüler haben sich umgebracht. Das ist das Leben, ist es überall so? Sagt man. Überall.
Viel Zeit ist vergangen, in der ich manche Schule gesehen habe, auch Hauptschulen. Der Zug bleibt stehen, wartet wie so oft wahrscheinlich auf eine Eilzug-Überholung. Schicksal was war, was ist. Vergiss es, denke ich, nimm Abschied von der Schule, was hast du damit zu tun, keine Rückblicksromantik. Lies weiter, objektiv und so…
Und dann kommt sie: die maßlose Wut, es kann doch nicht sein, dass der privilegierteste Lehrer Kinder auf diese Weise angreift und aus meiner Sicht verrät und allem Tür und Tor öffnet gegen das Wertvollste zu kämpfen, was wir haben, unsere Kinder, wie kann er das tun? Wie konnte das passieren?
Die Landschaft fliegt am Zugfenster vorbei – die Schüler sind in reichen oberen Händen, denke ich traurig. Van Goghs Bilder lernen sie nur aus der Sicht großer nobler Galerien kennen, seine Liebe zu den Kartoffelessern, die Achtung vor ihrer Arbeit und ihrer Lebensweise. Zeigt man ihnen auch diesen Van Gogh? Lies man sie seinem Blick folgen? Was, wenn sie nicht jener Arbeitermutter im Sozialdienst begegnen. Werden sie unwissend auf anderer Ebene leben? Plötzlich höre ich in mir geradezu den Vorschlag man sollte den Sozialdienst abschaffen. Er beschwert und verführt zu lästigen Fragen. Ungeduldig habe ich das Buch wieder in der Tasche verstaut und warte, viel zu früh, an der Zugtür. Bitte Zug, komm an, Tür geh auf! Eine Unruhe packt mich, darf ich daran vorbeigehen, das Buch einfach so übergehen, vorbeisehen? Nein!
Ich kann es nicht verantworten, ich will nicht, dass so viele verleitet werden könnten, so über Kinder zu denken, über Erziehung und Lehren, über den Menschen, über das Leben, und dann auch zweifeln müssten am Lebenssinn, an ihrer Liebe, an ihrer Arbeit. Ich will nicht, dass so viele am bewussten Denken und Fragen stellen, an ihrem Leben und Sterben können, vorbeigehen.
Ich bewundere ja die, die gute Bücher schreiben; Romane, die einen in gesegnetes Denken und Hoffen tauchen, in Weisheiten, in Welten spannender Erfahrungen und ich wollte gerne Schönes schreiben. Aber jetzt muss ich erstmal antworten. Weil ich etwas verraten fühle, was wertvoll ist, darüber kann ich nicht hinwegsehen. Daran darf ich nicht vorbeigehen.

2. Kapitel
Wieder im Zug halte ich das Buch in den Händen. Gedanken an Salem, Spetzgart, die wunderschöne Landschaft des Bodensees. Der Himmel von seiner hier bewegt verspielten Weise, wie ich ihn selten in Deutschland empfand. Ja der Blick von oben, von Spetzgart über den Bodensee, bei guter Fernsicht die Bergkette am Horizont. Der Zug rattert. Ich schlage die erste Seite auf mit der Widmung an seine Frau und seine zwei Töchter. Dann das Fontane Zitat. Wieso dieses?! Dieses!! Bei allen Zitaten, die es gibt, die es gäbe, wieso ausgerechnet dieses, das für mich einen relativ belanglosen Wert hat. Ein Stammtischgeplauder, die traurige Aussage, dass der Mensch bequem sei – oder besser – dass er scheu ist davor, Verantwortung zu tragen. Schnell weiter lesen.
Und nun das Vorwort, beim ersten Absatz stockt mir das Herz: was für eine jämmerliche Bilanz! Und sie liegt wie eine vermessene Kränkung über allem! Wenn ein Jahrgang circa 70 bis 80 Schüler hat, mal 33 Jahre – das wären mindestens 2310 Schüler – das sind viele Menschen, und die leise Kränkung, dass alle diese Vielen also so einfach vorüber gezogen sind! Sie haben keine Freude oder Bemerkung, keinen Eindruck hinterlassen? Ich schaue aus dem Fenster und frage mich, wie kann man nach einer derartigen langen Arbeitszeit mit Kindern und Jugendlichen mehr an Regeln glauben als an Wunder?
Ich betrachte das Buch in meinen Händen, – ich denke an den Bodensee, die privilegierten Schüler und Lehrer, die wunderschönen Wohnungen, die vielen Kollegen, die belebten Ereignisse, Theater, die Kontakte und, und, und….Ich denke an Herrn Dr. Bueb in diesen Zusammenhängen.
Es gibt nicht viel Zeit auf meiner allabendlichen Rückfahrt; Gedanken über den Tag; von Haus zu Haus, von Familie zu Familie – wie behutsam, langsam, manches auch wächst, auf welche geheimnisvolle Weise Entwicklungen sich vollziehen. Ich bin froh darüber, dass mein Vertrauen in die Umsetzungsmöglichkeit des Schülers und mein Glauben an sein Können sich als guter Weg zeigt. Ich bin dankbar dafür, in Bezug auf manches zu Erlernende, einfach gewartet zu haben, gerade dort wo es schien als bewege sich nichts, doch Geduld gehabt zu haben, einfach ins Blaue gehofft zu haben. Plötzlich entpuppte sich gerade dort, wo der Unterricht zu stocken schien, ein überraschender Erfolg.
Der schweigende Zug, die Menschen sind so ungesprächig, gar nicht zum Plaudern aufgelegt. Dieses Verstockte verlängert die Fahrt erheblich, Ach, bloß nicht zu müde sein, das Buch lesen, beim Lesen geht die Fahrt schneller…
Ich schaue mich um, sehe gestresste, fast kaputte Menschen. Dafür muss man zur Schule gehen, um später rein gar nichts davon zu haben, stupide Arbeit stundenlang zu machen, keine Hoffnung, keinen Sinn entwickeln zu können, froh zu sein über alles Vergessen.
Mein Blick fällt auf das Inhaltverzeichnis:
SHAPE \* MERGEFORMAT
„WIR BRAUCHEN MUT ZUR ERZIEHUNG“. Ich blicke mich um im Abteil. Ein trauriges Gefühl befällt mich. Müde und, entmutigt beim Anblick der verstummten Menschen die mit ihrem Leben so auch gar nicht glücklich sein können, denke ich bissig: Mut also, unseren Kindern zu sagen, dass sie uns nicht wecken sollen, nicht erinnern sollen, dass es Sinn geben muss, dass Sinn sein könnte, dass wir wertvoll sind, womöglich einzigartig, Individuen.
„WIR BRAUCHEN MUT ZUR ERZIEHUNG“; “FREIHEIT ERWIRBT MAN DURCH DISZIPLIN“. Wie kann man durch Disziplin Freiheit erwerben? Ist es so gemeint, dass, wenn ich täglich zur gleichen Zeit an den Gitterstäben säge, sie irgendwann zerbrechen? Schafft kontinuierliches Tun Freiheit?? Was würde kontinuierliches Nichtfragen bewirken? Freiheit? Dann wird selbst das Erinnern an ein einmal gewesenes Fragen vergehen, ist das Freiheit?? In welchem Zusammenhang steht Freiheit überhaupt mit Disziplin?? Wie kann man durch Disziplin Freiheit erwerben?
„ALLE MACHT DEN ELTERN“, warum, warum? Damit sie noch weiter fortrücken von ihren Kindern, diese sie wieder mit Eure Hoheit, Herr Vater, Frau Mutter ansprechen, auf einem Thron vereinsamen lassen. Abgesehen von allem, haben die Eltern nicht fast 18 Jahre lang sowieso alle Macht?
Wie traurig, denke ich, wenn ich die müden Menschen um mich herum sehe. Es gibt also keine Beziehung. Alles ist Machtgefüge, vereinsamte Welt. Ein Herr liest das Buch „Machtgefüge innerhalb der Partnerschaften“. Also, denke ich, der Stärkere hat das Sagen, der Schwächere wird untergeordnet oder vertrieben, und es zählt nur die äußere Kraft, Geld, Aussehen, Prestige, Popularität .“DISZIPLIN WIRKT HEILEND“… – ich kann mir vorstellen, dass man mit Disziplin den letzten Schmerz killen kann…vergiss, vergiss es, bis es weg ist.
„MAN MUSS NICHT IMMER ÜBER ALLES DISKUTIEREN“, will man aber auch gar nicht. Man will vielmehr Kontakt. Nähe. Beziehung.
“UNORDNUNG BRINGT FRÜHES LEID“. Die Züge fahren unordentlich ab, denke ich, stimmt, ständige Verspätungen. Sehr lästig. Ewige Warterei. Termine verpassen… welche Unordnung ist hier gemeint? Was ist Ordnung? Ein gepflügter Acker, ich schaue übers Land. Das Suchen von Dingen kann sehr lästig sein, aber es kann uns auch auf neue Wege und Aspekte bringen. Umwege können auch heilsam sein. Heißt Unordnung Beziehungslosigkeit?
Und das Brot ruft: „Hol mich raus, hol mich raus!“ Ist es wirklich nur ein Märchen? In meiner Erinnerung sehe ich die Goldmarie aus dem Märchen „Frau Holle“ wieder vor mir, ihre gelebte Beziehung zu den Dingen. Sie ist auf dem Weg zum Schloss und hört diesen Ruf des Brotes aus dem Backofen, sie lässt sich davon unterbrechen, wendet sich dem Brot zu und reagiert, bevor sie ihren geplanten Weg fortsetzt. Die Pechmarie tut das Gegenteil. Am Ende des Märchens wird die Goldmarie belohnt und die Pechmarie erhält Pech, Bezogenes Handeln bringt Freude, Beziehungslosigkeit entzieht uns Freude.
Ich blicke erneut aufs Inhaltsverzeichnis.
„WER GERECHT ERZIEHEN WILL MUSS BEREIT SEIN ZU STRAFEN.“ Erstens, gehört die Frage nach dem Umgang mit Strafe nicht erst ins allerletzte Kapitel des Erziehers? Ist Strafe nicht das letzte Mittel oder manchmal eine natürliche Folge: der Herd ist heiß, der Finger brennt? Was hat Gerechtigkeit mit Strafe zu tun? Strafe scheint mir, außer im Bezug auf diese natürlichen Gebundenheiten, physikalischen Gesetze, (das Feuer ist heiß, der Finger schmerzt), in Bezug auf Gerechtigkeit immer hohl endend.
„DIE FAMILIE IST NICHT ALLES.“ Was ist alles? Der Staat? Die Großfamilie, also, die Welt, die Erdenbürgerfamilie? Was ist „ALLES“ dann? Eine Ideologie, eine Politik, eine Religion, ein Gesetz?
Dann folgt ein Zitat „DER MENSCH IST NUR DA MENSCH WO ER SPIELT.“ Spielen, also bezogenes Umgehen und Miteinander? Ich schaue auf die Menschen um mich, sie arbeiten den Hauptteil ihrer Existenz oder suchen zerquält nach Arbeit. Das Spiel ist aus ihrem Leben so gut wie gestrichen.
“BEGABUNG ALLEIN GENÜGT NICHT.“ Nein, das wissen wir ja schon lange, man muss mit ihr durch dick und dünn gehen, dann kann man mit ihr Pferde stehlen.
Gehen wir mit unseren Kindern, die an sich schon ein Bündel an Begabungen sind und von Natur aus eine Begabung zu leben haben, durch dick und dünn, nehmen sie liebend an, hegen und pflegen sie, halten zu ihnen alle Zeit?

„WIR BRAUCHEN WIEDER MUT ZUR ERZIEHUNG; FREIHEIT ERWIRBT MAN DURCH DISZIPLIN; ALLE MACHT DEN ELTERN; DISZIPLIN WIRKT HEILEND; MAN MUSS NICHT IMMER ÜBER ALLES DISKUTIEREN; UNORDNUNG BRINGT FRÜHES LEID; WER GERECHT ERZIEHEN WILL; MUSS BEREIT SEIN ZU STRAFEN; DIE FAMILIE IST NICHT ALLES; DER MENSCH IST NUR DA GANZ MENSCH, WO ER SPIELT, BEGABUNG ALLEIN GENÜGT NICHT.“
Wenn ich als Erziehender Mensch am Bahnhof stünde und würde in einen Zug, mit den so aufgelisteten Waggons steigen, was wäre das für ein Zug? Wohin führe er?!
Traurig steige ich aus, warum ist die Stadt heute so grau? Der Himmel, die Häuser, die Straßen, die Menschen. Fuß vor Fuß, Schritt für Schritt. Ich höre meinen Fuß auf dem Asphalt. Ist das Disziplin?
Nein, das ist Hoffen, das ist Lieben, das ist Hoffnung wagen.

3. Kapitel
„FREIHEIT ERWIRBT MAN DURCH DISZIPLIN“ schwirrt mir auf dem Weg zum Einkaufen durch den Kopf, als ich auf unangenehme Weise bei mir selbst feststellen muss, wie abhängig man von kleinen Disziplinen sein kann. Sie halten einen geborgen, beschützen vor Fragen und vor dem vielleicht notwendigen Abweichen von einem einmal eingeschlagenen Weg. Wenn die Disziplin aufhört, was bleibt dann. Wem begegne ich dann? Mir?
Die Straßen sind heute belebt. Viele Menschen sind bei mildem Wetter in der Stadt. Mütter auf Shoppingtour mit ihren Töchtern, Pärchen beim Mal-in-die-Stadt-gehen, ruhige Betriebsamkeit, alles. Freiheit erwirbt man vielleicht durch Entscheidungen: hell, gut, schick, klar, problemlos und teuer. Nein, es steht nicht allen offen. Hat man kein Geld, hat man keine Stadtbummellaune, also was soll’s. Das höchste Ziel, im Porsche durch die engen Straßen zu gleiten; „hallo, ich bin wer“, aussteigen, gesehen werden, etwas kaufen, kaufen können und das war alles?

Nicht ganz so ist es in den Zwischenzeiten und in der Nacht: Grüppchen von Jugendlichen schlendern durch die Straßen, geben an und kommunizieren in ihren jeweiligen Klicken. Erwachsen sein heißt, cool und unnahbar erscheinen, sich mit einer gewissen Egal-Haltung gut gestylt durch die Straßen treiben zu lassen. Die Haie: Sekten, Politikgruppen, Kirchen- Psycholeute spannen ihre Netze aus, um sie zu bändigen, zu benützen, ihre jugendliche Kraft und die Unterversorgtheit, der sie ausgesetzt sind, zu nutzen und zu verführen. Nicht so schlimm – wenn sie irgendwann aufwachen, werden sie nicht mehr wissen, wie es kam und nicht zurück können. Die Haie wissen das.
Die Sehnsucht nach gemeinsamem Erleben lässt sich sehr gut in kleinen Demonstrationen oder merkwürdigen Ritualen bändigen. Ich sitze in einem Café. Eine Gruppe hart gekleideter Jungen läuft vorbei. Die schicken Leute schütteln den Kopf, diese Kerle sollte man einsperren. Einer sagt: „einfach einen Satz heiße Ohren und das Ding ist gegessen.“ Von allen Bemerkungen klingt diese letzte Aussage plötzlich noch am einleuchtendsten, weil sie zumindest ein Zuwenden beinhaltet, wenn auch ein fragwürdiges. Ein Zuwenden, denke ich, ich sehe eine weitere Gruppe durch die Straßen rennen. Sie ärgern die Polizei, rennen weg, pöbeln, zünden Rauchbomben, rennen weg, sind in einer Gruppe, es ist spannend. Plötzlich denke ich an früher, an Verstecken mit anschlagen, an Räuber und Gendarm, an gemeinsame Heimlichkeit, verbunden sein, dazu gehören. Es erinnert mich an Spielen, an Spannung, an Wichtig-Sein, an Gemeinsamsein am Held-Sein-Können, etwas erlebt haben können. Sicher ist es spannender, als allein vor dem Computer zu sitzen, hier perlt das Leben. Und sie wissen nicht um die Haie, die sie schnappen, um ihre Energie auszunützen für kriminelle oder zumindest sehr egoistische Zwecke und Interessen. Was gibt es für unsere Jugend wirklich freies, wo sie hin könnten? Ohne Geld? Welche Treffpunkte und wo? Und welche Angebote? Sollen sie sehen, wo sie bleiben. Es gibt Fußballplätze, aber wo ist das Spannende? Wo können sie direkt teilnehmen an der Straße, an der Stadt, ihr Innenbild als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft mitbenutzen und gestalten? Es gibt Spielhallen, Jugendzentren, vielleicht von der Kirche, aber auch zu wenige, vielleicht von Parteien, aber auch dort müssen sie dazugehören, sich bekennen zu etwas, bevor sie sich überhaupt im Leben umgeschaut haben.
Mitten in der Stadt finde ich keine Möglichkeit für junge Menschen. Kein Platz für Euch!!! Und auf gar keinen Fall in freier, gesunder, austauschender Weise.
Haben wir Mut uns den jungen Menschen zu stellen? Nehmen wir sie wirklich ernst?? Haben wir Achtung vor ihnen und der Jugend?
Ist uns nicht klar, dass wir, die wir schon länger leben, eine große Freude den Folgenden mitgeben müssen? Dürfen wir uns drücken vor der großen schweren Arbeit, Geborgenheit zu geben?
Wer geborgen ist lebt vermutlich im rechten Maß und ist voller Disziplin, unbewusst automatisch, ganz aus Versehen.

4. Kapitel
Ich beginne von neuem das Buch zu lesen: 1. Kapitel. Die Worte umhüllen mich auf seltsame Weise, es sind allgemeine Weisheiten, immer wieder gesagte, anerkannte Worte in den Sätzen.
Sehe ich es falsch? Es schwindelt mir geradezu zwischen den beschwichtigenden Worten, was aber ist dieses Trockene, das beim Lesen in mir entsteht und dieser Abstand?
Ich komme zum Abschnitt, der Töpfer und der Gärtner. Herr Dr. Bueb spricht davon, dass der Lehrer der Töpfer sei, oder der Gärtner und die Schüler der Lehm, die Pflanzen (S.15, 16). Das Bild Töpfer finde ich gefährlich und auch beim Gärtner ist der Abstand zu groß vom Gärtner zu den Pflanzen. Der Gärtner hat eine vollständig andere Wesensform, er ist Mensch, die Pflanze ist Pflanze. Der Abstand von Schüler zu Lehrer scheint mir eher mit dem des Leitwolfs zu den Jungen, der Leitelefantin zu ihrer Herde vergleichbar. Es ist keine andere Wesensform, die betreut wird, es sind Nachfahren des gleichen Seins, unsere Nachfahren. Der Abstand, den wir mit diesem Bild, des Gärtners zu den Pflanzen, des Töpfers zum Ton, schaffen, ist zu groß!

Passt dieses Bild überhaupt in Bezug auf den Erzieher? Was stellen sie dar? Ich schaue auf einen Blumentopf, der Töpfer baut aus Erde Gefäße, Gefäße für irgendwas, für einen Nutzen, zum Zusammenhalten, der Gärtner umhegt Pflanzen. Im Fernsehen läuft ein Film über Tiger, die Tigermutter und ihr Junges, würde sie ihr Kind so sehen? Denke ich plötzlich: sich als Tiger und das Tigerkind als Lehm? Sich als Tiger und das Junge als Pflänzchen?
Ein Kind ist kein Lehm in dem Sinne, ein Kind ist keine Pflanze, ein Kind ist wie wir! Ist Wir, Mensch!
Das Kind wächst aus sich, es entfaltet sich. Wir tun nichts hinein. Es ist nicht Gefäß für unsere Gaben. Wir können ihm Geborgenheit, unsere Nähe, Gemeinschaft schenken, aber wir erschaffen es nicht. In diesem Sinne ist es nicht eine Pflanze sondern ein „Uns“. Es braucht Geborgenheit und Schutz! Vielleicht sollten wir selbst mehr Schutzraum sein, mehr Gefäß für die noch Kleinen, die einst alles weiterführen, und in jedem Fall in einer neueren Zeit, als der unsrigen.
Die Enten laufen hinter ihrer Mutter her, nicht weil sie es ihnen beigebracht hat, sondern weil es ihr Zuhause, ihr Schutz, ihre Liebe, ihr Weg, ihr Instinkt ist. Sie sind voll Zuneigung und haben bedingungsloses Vertrauen. Deshalb ist es auch so furchtbar tragisch, wenn man erfährt, sein Kind nicht schützen zu können.
Dieses bedingungslose Vertrauen und diese übergroße Zuversicht, die ein hilfloses Wesen in uns setzt, sind so sehr außergewöhnlich und wertvoll.
Wir müssen die wenigsten Dinge beibringen, der junge Tiger tut es dem Tigervater nach! Er vertraut ihm und er will so werden, wie der große Vater. Wir können glauben, Gott ist der Hirte, der Gärtner, aber wir selbst, ob alt oder jung, können kein Gott sein. Wir bleiben die Schafe, die Pflanzen, der Lehm. Wir können uns selbst wenig formen. Wir können uns kümmern um näher Anvertrautes. Wir sind älterer und jüngerer Lehm, mehr nicht. Ist diese Erhöhung, sich zu einem gottgleichen Wesen zu machen das, was man in Religionen Versuchung nennt? In Märchen werden die bösen Personen gerne auch dadurch charakterisiert, dass sie sich weit über andere stellen. Heilige und Religionsgründer bringen sich immer in die Nah-Position, Kind, Bruder, Helfer der Armen und Verlassenen.
Vielleicht ist die Erde der Garten, der uns anvertraut ist, aber Menschen sind Begegnungen unserer eigenen Weise mit jüngerer oder älterer Zeit, größer gewachsene, bescheidene Herzen, oder kleinere und zu beschützende.
Wir wenden uns so gesehen unsereins nicht zu und wie sollen wir dann unsere Kinder lieben?
Ich muss gerade an eine herausfordernde menschliche Situation denken, die Wutanfälle kleiner Kinder. Herr Dr. Bueb spricht von Wutanfällen eines Dreijährigen, Zitat Seite 17 “Da Kinder nicht gehorsam geboren werden, ignorieren sie Anweisungen, rebellieren gegen Erziehungsmaßnahmen, missachten Gebote und wenden alle Mittel an um ihren eigenen Willen durchzusetzen. Wutanfälle eines dreijährigen Kindes auszuhalten, dessen Äußerungen ohne Verstand sind, und sich nicht ab und an zu klapsen oder gar Schlägen hinreißen zu lassen bedarf gehöriger Selbstdisziplin von Vater oder Mutter. Solche Selbstdisziplin wächst mit dem Bildungsgrad der Eltern….“.Die Äußerungen eines Dreijährigen, als ohne Verstand zu bezeichnen, ist sehr fragwürdig, ebenso ist es nicht zwingend richtig, dass die Selbstdisziplin mit dem Bildungsgrad wächst. Gewiss sind solche Wutanfälle eine nervliche Belastung für uns, aber zutiefst bekümmern können sie gar nicht, denn wir wissen es doch, wir sehen weiter in diesem Moment, als das Kind. Wir haben mehr Übersicht und wir werden nicht zulassen, dass es sich Ungutes tut aus mangelndem Wissen. Es braucht Trost beim kennen lernen seiner Eigenständigkeit, seines eigenen Willens, seiner Entscheidungsfähigkeit. Das ist mit drei Jahren so, und nicht ohne Angst zu erfahren. Nein und Ja sind als klare Erfahrungen kennen zu lernen. In diesen Momenten brauchen die Eltern Mut hinzusehen, Mut den Kräften zu begegnen, sich nicht angegriffen zu fühlen, es besser wissen zu dürfen. Sie müssen die Erfahrung vom Umgang mit Zeit lehren, dass Zeit vergeht, dass man warten kann, dass es ein vorher und nachher gibt, eine zeitliche Abfolge, dass es nicht schlimm ist zu warten, dass Zeit Rhythmen hat und vergeht und man sich hinein finden muss in ein zeitliches Geschehen und in Veränderungen. Der Wunsch das Kind zu züchtigen entsteht aus einem Angegriffen-Sein-Gefühl. Wir fühlen uns in diesem Fall persönlich angegriffen. Wenn wir begreifen, dass wir nicht angegriffen sind, können wir mit der Situation umgehen und die Anstrengung, Leistung und Geduld aufbringen, die diese Situation von uns fordert. Wir können die Kraft aufbringen, klare Entscheidungen zu fällen und zu diesen stehen. Auch die unangenehmen Umstände und den Lärm können wir dann akzeptieren und das Kind hindurch begleiten und treu zu ihm stehen.
Ist es nicht so, dass wir am liebsten mitbrüllten und riefen: „Hilfe, was sollen wir machen?“ Und einfach froh wären, dem ganzen Prozess auszuweichen, anstatt, das Kind und die Situation und Angst annehmend, zu vermitteln: „Ich beschütze Dich in der Erfahrung Deiner Emotionen, Deines Willens, Deiner Kräfte, Deinem Umgang mit der Außenwelt.“ Wir müssen uns erneut selbst der Erfahrung stellen eigenständige Individuen zu sein und werden daran in dieser Situation auf unangenehme Weise erinnert. Wir müssen wieder Stellung beziehen und erfahren in diesem Moment wie sehr wir immer in gewisser Weise in dieser Problematik stecken und uns dessen eben mehr oder weniger bewusst sind. Gerade in diesem Alter erfährt das Kind diese Individuation, psychische Geburt. Es erfährt sich bewusst als eigenständiges Ich. Damit geht ihm auch die ursprünglich selbstverständliche Geborgenheit verloren. Es kann vieles auf einmal alleine, ist groß, erfährt seine Stärke, aber in eben solch großem Maße erfährt es seine Hilflosigkeit plötzlich bewusst. Auch erfährt es seine Gefühle und die Unerfahrenheit seines Umgangs mit ihnen und der Einschätzung ihrer Größe, Wichtigkeit oder auch Umsetzbarkeit. Wir müssen ihnen zur Seite stehen beim kennen lernen ihrer Gefühle, sie ermutigen, mit diesen für sie selbst konstruktiv umzugehen, sie wahrzunehmen, zu erkennen und zu benennen. Man muss ihnen Werkzeuge geben, sie zu bannen und Macht über sie zu ergreifen und ein gutes Verhältnis zu sich selbst aufzubauen.
Wir dürfen jetzt, in dieser Situation, nicht unsere Ängste leben. Wir sind jetzt als Erwachsene gefordert. Das Kind kann nichts dafür, dass wir die nötige Sicherheit vielleicht noch nicht haben. Und auch nichts dafür, dass wir in unserer eigenen Kindheit vielleicht keinen selbstbewussten Umgang mit unserem Willen und Emotionen erlernen konnten. Ganz schlecht für diesen Entwicklungsmoment ist es, wenn die Erwachsenen, die kindlichen Aktionen auf sich beziehen und denken, das Kind handelt so, macht dies oder jenes um den Erwachsenen persönlich zu ärgern oder anzugreifen, oder Macht über ihn zu haben. Wir müssen dem Kind das Ausgeliefert-sein-Gefühl nehmen und ihm einen Weg weisen, den Willen, die Emotionen, individuellen Energien in den Griff zu bekommen und positive Macht über sie zu erlangen, ihnen damit nicht einsam und hilflos ausgeliefert zu sein. Sie müssen sich selbst annehmen und akzeptieren lernen und einen eigenständigen Willen bilden. Auf gar keinen Fall sollten die Kinder die Eltern in diesen Situationen als Gegner erfahren – Wenn ich mich als stark erfahre und Nein sage hat Mami mich nicht mehr lieb? – Sondern im Gegenteil als Verbündete. Sie müssen sich in jedem Seins-Zustand als geliebt und beschützt erfahren.
Ich bin stark ich kann meine Schuhe anziehen, etc. andererseits bin ich hilflos, klein und alles geht nicht schnell genug. Viele Wutanfälle entstehen auch, weil der Erwachsene keine Zeit hat zu warten auf die Ausführung des „Ich kann es alleine“ oder weil die Schwierigkeit, die das Kind gerade durchlebt, für es nicht deutlich zu definieren und zu lösen ist und es nur hilft schnellst möglich den Wahrnehmungsbereich zu wechseln, es aus dieser Situation durch Ablenkung zu befreien, des Widerspruchs von Klein und Groß, den es durchlebt und auch aus der Unfähigkeit seine Bedürfnisse richtig zu erkennen und einordnen zu können. In dieser Entwicklungsphase erkennen sie sich selbst in ihrer starken und hilflosen Position zum ersten Mal aus einer gedachten Außenperspektive. Die Erfahrung sich als Individuum zu erkennen ist schmerzhaft erschreckend. Kann der Erwachsene Mensch in Unangegriffenheit und Ruhe durch diese Situation gehen, wird der Wutanfall schnell überstanden sein. Das Kind kann ihn dann als Fels in der Brandung genießen und durch die Geborgenheit, die es empfängt, einen Weg aus seinem Toben finden. Manchmal hilft es sogar die Emotionen gemeinsam mit dem Kind zu personifizieren. In einem Wichtel z.B. der dem Kind auf der Schulter hockt, der Gemeinsam gefangen wird und zum Fenster hinaus geworfen wird. Manchmal wird man sich wundern wie sehr ein Kind in diesem Tun nicht nur Erleichterung und Ruhe findet, sondern auch Freude, die dadurch entsteht, dass es einen klaren Weg erfährt, Macht über seine Gefühle zu haben und nicht bedingungslos von ihnen gesteuert zu werden, sondern selbst steuern zu können. Manchmal ist es auch gut, wenn man zuhause, ohne das es also für die Außenwelt störend ist, das Kind die Kraft der Wut ausleben lässt als Erfahrung seiner Stärke. Auch dann wird man sehen, dass der Wutanfall bald vorübergeht, solange der Erwachsene sich nicht angegriffen fühlt und das Kind bald ermüdet Trost sucht.

Das Kind muss auch freiwilligen Verzicht erlernen, Triebverzicht, und zwar bewusst und nicht einfach eine Unterdrückung erlernen mit dem Zweck einer nichthinterfragbaren Anpassung, eines blinden Gefallen, lieb sein müssen.

Ein neuer Tag, ich bin wieder im Zug und lese die zusammengestellten Sätze von Antoine de Saint-Exupéry. Disziplin ist eine natürliche Folge der Liebe. (siehe: „Der kleine Prinz“).
Ich denke daran, wie viel regelmäßige Zuwendung allein eine Pflanze braucht. Und Menschen, die Pflanzen mögen, kümmern sich gerne regelmäßig mit einer Selbstverständlichkeit. Auch ein Haustier braucht regelmäßige Zuwendung. Entsteht Disziplin aus Beziehung? Mir fällt auch ein, dass in vielen Therapien empfohlen wird sich um eine Pflanze oder um ein Tier zu kümmern. Braucht der Mensch Beziehungen und ist es seiner Natur entsprechend und für ihn heilsam, sich in Bezogenheiten um etwas Kümmern zu können, mit einer Verantwortung die Regelmäßigkeit und Disziplin auslöst? Ich denke an die alltäglichen Hundespaziergänge, fast werden sie auch zu Gewohnheiten, die eine Art seelische Heimat bauen. In der Abfolge von bezogenen Handlungen wächst eine Art Geborgenheit, denke ich. Was unterscheidet Disziplin eigentlich von Gewohnheit. Disziplin ist ein bezogenes Handeln, Gewohnheit drückt nicht soviel aus, sie kann auch völlig unbezogen sein. Bezogenes Handeln löst Freude aus. Der Mensch erkennt sich auch gerade in seiner Beziehung zu etwas, zu jemandem. Er braucht Beziehung. „Das Wertvollste sind die menschlichen Beziehungen.“

Der Mensch ist ein, wenn nicht das Wesen, welches nach seiner Geburt noch am längsten am hilflosesten ist und ohne Zuwendung nicht existieren kann. Sich mit dieser Hilflosigkeit und Abhängigkeit des Menschen zu konfrontieren und dieser Situation bewusst zu stellen ist nicht einfach für den Menschen und kann auch als angstbesetzte Bedrohung empfunden werden. Die Erfahrung dieser Ausgeliefertheit des Säuglings und das gleichzeitige Empfinden der eigenen Macht und Verantwortung, ist eine Situation, die uns mit großen Fragen konfrontiert, die wir nicht beantworten können, die wir vielleicht verdrängen, den Fragen nach dem Leben und dem Tod und dem Sinn. Es ist an der Zeit, sich diese Tatsache wieder bewusst zu machen und sich den Werten der Beziehung, des „Beziehens“ zu widmen. Die Eltern sind die erste Beziehung und helfen bei der gesamten Beziehungsaufnahme zur Welt und zu sich selbst.
Viele Fragen und Situationen gehen mir durch den Kopf. Das Leben ist nicht so einfach, wie wir es gern hätten; was für den einen gut ist, kann für den anderen schlecht sein. Es gibt nur auf einer vereinfachten Ebene die Gemeinsamkeiten, die darin bestehen sich den menschlichen Grundbedürfnissen in einer geregelten Weise zuzuwenden. Im übertragenen Sinn, die Gemeinsamkeit von Blumengießen, den Erhalt von Zuwendung. „Ich muss mich um meine Rose kümmern.“ Kümmern! Ein wichtiges Wort! In Dr. Buebs Buch ist es vergeblich zu suchen: kümmern.
Sich um etwas kümmern – auch um eine Puppe oder um Stofftiere – löst Freude aus. Haben wir vielleicht vergessen unsere Kinder „sich kümmern“ zu lassen? Es macht Spaß an einer Sache dran zu bleiben. Oft sind es auch wir, die sie unterbrechen mit der einen oder anderen Notwendigkeit. Sollten wir sie nicht im sich Kümmern fördern? Ihnen bewusster das Kümmern zeigen?. Sollte es nicht statt Erziehen viel eher Zeigen sein? Das Anvertrauen von Aufgaben, von Beziehungen? Sollten wir nicht Kindern helfen Beziehungen zu bauen und bewusst wahrzunehmen. Haben wir vergessen an das Liebende, das sich positiv Zuwenden-wollende im Menschen zu glauben?
Erlernt man Disziplin nur durch einen Lehrer, der einen zwingt etwas regelmäßig und konsequent zu tun? Ich frage mich, warum Disziplin immer fremdbestimmt beginnen soll, wie es in Dr. Buebs Buch beschrieben wird. Ich sehe es anders. Kleine Kinder haben aus sich heraus in gesundem Zustand Disziplin- und Freude daran. Sie müssen Disziplin nicht erst erlernen.
Ich stolpere über die zwei Seiten (S30, 31), auf denen sich Herr Dr. Bueb über Humor auslässt. Betont hoch gebildetes Geschwafel und unsaubere Vermischung aller möglicher „Weisheiten“ hinterlassen nur das Gefühl, dass er den kindlichen Humor gar nicht kennt oder verstanden haben kann. Er schreibt:
„Zu den ersten Zeichen des geistigen Erwachens eines Kindes gehört das Lächeln.“
Dieses Urlächeln, eines der ersten Momente des menschlichen Bewusstwerdens ist auch das erste Mal, Liebe und Freude ausdrücken zu können. Dies hat nichts mit einem humorvollen Lächeln zu tun: Wie sollte ein Kind denken können: Wie witzig! Das sind meine versagenden Eltern! Oder gar wie witzig ist das Leben? In diesem Zusammenhang das erste Lächeln eines Kindes zu erwähnen hat keinen Sinn.
Die gesamte Beschreibung von Humor erscheint mir falsch.
Dr. Bueb behauptet hier die Härte von Konsequenz werde für Kinder und Jugendliche durch Humor akzeptabel (S.30). Die gerechtfertigte und verstandene Konsequenz ist jedoch viel eher akzeptabel als die durch einen Witz oder Lächeln verschleierte.
Die wahre Größe einer bewunderten und beliebten Erziehungsperson, die sich ihre eigenen Schwächen, Unsicherheiten, Gefühle; letztlich die menschliche Begrenztheit durch Humor eingesteht und so das freudige Verständnis ihrer Gegenüber gewinnt, habe ich hier nicht entdecken können.

Auf Seite 18 lese ich dann „ERZIEHUNG IST EINE NICHT ENDENDE GRATWANDERUNG ZWISCHEN GEGENSÄTZEN.
Dr. Bueb schreibt hier: „Erziehung ist eine nicht endende Gratwanderung zwischen Gegensätzen. Mütter, Väter, Lehrer und Erzieher suchen nach der rechten Mitte zwischen Führen und Wachsen lassen, Gerechtigkeit und Güte, Disziplin und Liebe, Konsequenz und Fürsorge, Kontrolle und Vertrauen, aber nicht nach einer arithmetischen Mitte, sondern einer dialektischen Mitte, weil die Gegensätze sich gegenseitig bedingen und ihre gelungene Synthese wahre Pädagogik begründet.“ Zunächst einmal kann ich keinerlei Gegensätzlichkeit in den vorgenannten Substantiven erkennen. Es sind viel eher Zusammengehörigkeiten: Führen und Wachsen lassen treten im Normalfall als Zusammengehörigkeiten auf, durch Nahrung, Raumgebung und Wegweisung. Führen und Wachsen lassen sind Handlungsformen, die entweder wie beim „Führen“ aktiv sind oder beim Wachsen lassen passiv ausgedrückt werden.
Auch die vermeintlichen Gegensätze Gerechtigkeit und Güte, gehören sie im Idealfall nicht zusammen? Die Güte ist eine Weise, die Gerechtigkeit umzusetzen. Es ist doch nicht so: wer gütig ist, ist ungerecht und umgekehrt? Schließlich, Konsequenz und Fürsorge als Gegensatz? Fürsorge ist konsequent. Der einzige Gegensatz ist: Kontrolle und Vertrauen. Wenn wir in persönlichen Beziehungen mit Kontrolle arbeiten, ersterben das Vertrauen und die Beziehung.
Draußen regnet es, ich lese weiter. Die Worte klingen bekannt, es sind Wahrheiten dazwischen. Ich denke: Zeit, Zeit gehört zu diesem Erdenleben, der Körper, die Erdanziehung, die Schwere, das Gewicht, der Wert, das Vergehen, der Weg, die Zeit. Ich muss mich beeilen. Einkaufen und Geldmachen, aus irgendetwas Geld machen!
Zeit misst sich aber auch auf andere Weise: Es können Kinder von viel beschäftigten Eltern das Gefühl haben, ihre Eltern haben Zeit für sie. Mancher Gestresste, durch äußere Umstände in Not geratene, hat mehr Zeit für seine Kinder als “Zeithabende.“ Alleinerziehende können sich manchmal mehr kümmern, denn sie müssen sich nicht auch um die Bedürfnisse eines Partners kümmern.
Zeit ist auch ein vermittelbares Gefühl, eine Zugehörigkeit ein Geachtet-werden. Die Zuwendungszeit ist generell gesellschaftlich schlecht bewertet, das heißt nicht besonders angesehen und zweitens – wenn überhaupt – schlecht bezahlt.
Es ist grundsätzlich in jeder Hinsicht zu unterscheiden, aus welcher Motivation Mütter ihre Berufe ausüben oder auch nicht. Ob eine Mutter ihren Beruf als Berufung ausübt, aus Leidenschaft beibehält, ihre Erfüllung und Karrierewünsche darin lebt oder ob eine Mutter irgendeine Arbeit annehmen muss, die ihr vielleicht auch gar nicht zusagt oder für sie vielleicht sinnentleert erscheint, nur weil sie Geld verdienen muss, macht eine komplett verschiedene Lebenssituation für beide aus, auch im Bezug auf ihre Kinder. Die erste wie die zweite Mutter brauchen Betreuungsmöglichkeiten. Die eine Mutter ist mit sich einig und nimmt die Betreuungsmöglichkeiten – sofern vorhanden – dankbar in Anspruch. Die zweite aber ist dazu gezwungen ihr eigenes Kind in Fremdbetreuung zu geben um der in ihren Augen sinnentleerten Tätigkeit nachzugehen. Teilweise so weitgehend, dass sie ihr Kleinkind in eine Tagesstätte geben muss um anderer Leute Kinder zu betreuen und deren Haushalt zu führen.
Ich muss los…Das Kreisen um das Geld-Machen-Müssen…Mit Kindern arbeiten, für sie da sein, macht zunächst kein Geld: die Zuwendung zu Kindern macht nur in angestellter Beziehung Geld.

5. Kapitel
Gut gelaunt mache ich einen neuen Versuch, schlage das Buch auf und lese noch mal, vielleicht habe ich es etwas zu überspitzt verstanden. Auf der Straße ist viel Betrieb, Wochenende, alles sieht ja so einfach aus, die Leute gehen einkaufen, haben frei, aber ich weiß, hinter den Kulissen, was kann man tun an einem Wochenende, das kein Geld kostet, außer Spazieren gehen, was nicht nur Kinder nicht so sehr gerne mögen, sondern auch Erwachsene und schon gar nicht ohne Ziel oder etwas Besonderes wie Berge oder Seen. Es gibt nichts, und es erfordert eine große Anstrengung und Fantasie, die Familie mit gesunden oder kreativen Erlebnissen bei Laune zu halten.
Auf Dr. Buebs Ebene, eine Ebene der Elite, zugehörig zur der so genannten Oberschicht, hat man ganz vergessen, dass Fernsehen und Streiten in ärmeren Familien mehr Raum erhalten, als in den Haushalten mit geldgefüllten Geldbeuteln, wo man auf teure Räder oder in den Benz steigt, zum Rudern fährt oder zum Golfplatz und Freunde trifft. Oder wenn man der Familie nach dem Sonntags-Spaziergang wenigstens eine Schokolade oder ein kleines Essen anbieten, im Restaurant versprechen kann: Alle sind zufrieden, das macht Laune. Ein Zoobesuch für die Kleinen, ein gemeinsames Kino, Theater anstatt Fernsehen…es ist eben doch eine Frage des Geldes. Als Single muss man nur sich selbst bei Laune halten. Nun gut, insofern ist Vereinzelung als gesellschaftliches Phänomen, schon aus dieser Hinsicht das Alltagsleben sehr vereinfachend. Man kann nur für sich verzichten, nur für sich kostet es wenig, nur für sich anhäufen. Es gilt keine verschiedenen Bedürfnisse zu kombinieren.
Ich schlage das Buch auf, nach wenigem Lesen bin ich wieder zutiefst traurig. Als Herr Dr. Bueb nach Salem kam, war ich in diesen, seinen ersten, Jahren auch dort. Und wo auch immer man sein Buch aufschlägt, nirgends spricht die Freude heraus, mit Jugendlichen zu arbeiten, gearbeitet zu haben. Welchen Idealismus sie hatten, was es Persönliches und Menschliches über das Leben und den Menschen zu lernen gab. Dass ein Schuldirektor nach so vielen Jahren mit Jugendlichen dieses Buch auf den Markt wirft, bedeutet für mich völlige Depression. Jugendliche ein bisschen degradiert zu „Untermenschen“, die zwar Liebe brauchen, aber vor allem „FÜHRUNG“.
Jede Freude an Jugendarbeit hört spätestens mit diesem Buch auf.
Es ist gewagt, wenn ein Schulleiter einer Eliteschule, mit großem ihm vorgeschossenen Erfahrungswert, so etwas weitergibt.
Erziehungsbücher. Wie setze ich Grenzen? Gibt es in Massen auf dem Markt. Für alle Altersklassen. Wie bringe ich Ordnung in Kinderzimmer und Regelungen bei? Wie lerne ich mit Kindern? Man kann sich mit Erziehungsbüchern geradezu einburgen lassen…Dann gibt es jede Menge Erziehungssendungen, Ratgeber, Supernannies, Erziehungslager, Beratungsstellen.
Aber der Leiter des Eliteinternats Salem schreibt kein Buch über interessante Schulführung von Kindern, über die große Arbeit mit Jugendlichen, die dann wunderbare Aufgaben übernehmen, die durch ihre finanzielle Freiheit oder Erbe auf jeden Fall in hohe Verantwortungsposten kommen – die über viele Finanzen und dementsprechende Netzwerke an maßgebliche Stellen gelangen und Einfluss ausüben auf wichtigen Ebenen, die leicht Veränderungen bringen können. Ihm stehen eine Menge Finanzen für die Schüler zur Verfügung, um sie attraktiv zu unterrichten. Dass gerade er sich diesem Thema auf diese Weise widmet, ist entsetzlich traurig.
Auch verstehe ich nicht, warum er nicht von großen Erziehern, wie zum Beispiel Janusz Korszak oder Albert Schweitzer erzählt. Stattdessen fährt er, wie ich in einer Fernsehsendung erfuhr, in Hauptschulen, deren Problematik er meiner Meinung nach nicht mal erahnen kann. Ein Salemdirektor geht in Hauptschulen, anstatt wohltätig zu sein. Belehrt, kassiert und gibt Ratschläge.
Doch dort sind andere Gegebenheiten, komplett andere Realitäten. Ein großer Unterschied ist, wieviel Geld-, Freizeit-, Kulturmittel und Unterrichtsmaterial zur Verfügung stehen. Und auch Nerven. Die dortige Schülerwelt erfordert andere Nerven und Umgehensweisen und Erfahrung. Wie kann Salem wagen, eine Hauptschule zu beraten, es müsste umgekehrt sein, die Hauptschule könnte Salem beraten, wie man nachhaltig mit einfachen Mitteln z. B. die Drogenproblematik angeht.

Ich schlage S.33 auf und lese eine Weile, ein Glück nur denke ich, dass ich damals noch an die Erwachsenen glaubte. Hätte ich damals dieses Buch gelesen, so hätte ich jede Achtung verloren. Ich erinnere mich genau an den Willen zum Leben, zum Lernen den wir hatten, die Sehnsucht nach denkenden Menschen, die Welt war noch offen, man hoffte noch Schriftsteller, Arzt, Forscher, zu werden. Man wollte noch groß werden, man wollte die Erwachsenen mögen, bewundern, man wollte es schaffen. Man vertraute.
Sicher gab es viele gestörte Kindheiten viele unversorgte Kinder auf ideeller emotionaler Ebene, aber sie würden alle eines Tages einen verantwortlichen Posten übernehmen.
Wie sie kennen lernen, an sie herankommen, sie führen? Das sind doch die interessanten Seiten am Beruf des Erziehers, Lehrers.
Ich finde den Beruf des Lehrers eine riesige Herausforderung, ihre Tätigkeit sehr bewundernswert und sehr einflussreich. Und dann geht es in Dr. Buebs Buch um das Zimmeraufräumen. Ordnung ist eigentlich ein Mittel zum Zweck, eine Vereinfachung. Kleine Kinder räumen noch gerne auf, weil sie die Dinge nach Hause bringen, sie tun es nur nicht gern allein. Große Kinder räumen auf als Mittel zum Zweck, sie empfinden oft Anderes als wichtiger, sie haben keine Zeit dazu. Es muss für sie einen Sinn ergeben und nicht nur von wichtigeren Dingen, wie z. B. auch träumen, am Fenster sitzen und denken, wegholen. Es muss einen Sinn ergeben und eine Vereinfachung muss erfahren werden. Abgesehen davon, dass viele Menschen es auch einfach so schön finden, wenn ihre Umgebung schön ist und darum in vielen Haushalten, wo das Budget es erlaubt, eine Putzfrau oder Haushälterin eingestellt wird. Der Familienfrieden ist sehr, sehr unterstützt davon. Sehr schwer fand ich am Haushalt überhaupt die Erfahrung wie viel Zeit, Lebenszeit, allein das Aufräumen und Putzen einnimmt, und kaum ist man fertig, geht es von vorne los – und man selbst bemerkt es nicht einmal. Zuweilen hat man den Eindruck, das ganze Leben bestehe aus nichts anderem und man erkämpft sich jede freie Minute aufs äußerste für andere Dinge, wie: Fortbilden, Briefe schreiben, Begegnungen, Arbeit. Oft denke ich, selbst die Menschen mit großem beruflichem Erfolg, großen Werken, schaffen es nur, weil man ihnen diese Dinge erleichtert oder abnimmt.
Was passiert, wenn man das Jugendlichen erzählt und eine Methode der Effektivität mit ihnen erarbeitete, dass sie es so schnell und nebensächlich machen könnten wie eine Sportart? Mit dem Ziel, dass Ihnen weniger Zeit für andere Dinge abhanden käme, da sie nicht zwingend davon ausgehen könnten, später solche Zuarbeiter zu haben.
Das Aufräumen in Salem ist davon abgesehen sowieso eher kosmetischer Art. Und ein uninteressanter Punkt möglichen Auseinandersetzens mit Erziehungspersonen. Es gibt viel interessantere Punkte für eine Auseinandersetzung, politische, geistige, gesellschaftliche Themen.
Natürlich ist Ordnung ein wichtiger Punkt, aber in der Erziehung doch ein relativ nebensächlicher gegenüber den ungeheuren Spannungen, was ein Kind alles lernen umsetzen, denken, wissen, erfinden kann.

Da liegt es wieder das Buch. Oh jeh, denke ich, Mut zum Menschen, denke ich, brauchen wir. Mut zum Menschlichen und auch Mut zu unserer Kraft, unserem Sein.
Der Mensch ist ein sehr vielseitiges Wesen und braucht sehr, sehr viel Zeit. Der Umgang mit Menschen ist ein großer Aufwand, und kann uns alles kosten, kann uns auch über unsere Grenzen hinaus wachsen lassen.

Aber es ist doch das Lohnenswerteste, wenn nicht überhaupt der einzige Sinn unserer Existenz, uns um den Menschen, das Menschliche und die Erde, seinen Lebensraum zu kümmern.
Ich werde das Buch nicht noch ein zweites Mal lesen sondern alles das aufschreiben, was ich beim ersten Lesen dieses Buches aufgeschrieben habe, als ein Anstoß und hoffentlich als einen großen Aufwachruf. Unseren menschlichen Teil können wir aktiv gestalten und am meisten mit der Hoffnung, die unsere Kinder uns geben. Sie müssen mit der Welt umgehen und sie neu schaffen.

6. Kapitel
Ich hätte dieses Buch nie gelesen, wenn es nicht eben mein Direktor gewesen wäre, und das Bild, das traurig entschwebt, hinterlässt Raum für das Begreifen, dass Jugend viel mehr ist und unsere Ehrlichkeit verdient hat.
Es ist sicherlich die Aufgabe eines Produzenten Kritik zu äußern und rücksichtslos kritisch zu sein. Der Auftrag des Lehrers ist aber in erster Linie, das Beste aus dem Schüler heraus zu holen, das Beste zu erwecken, und nicht auf die Kritik des Produzenten, Arbeitgebers, des Agenten, des Arbeitsmarktes, der gesellschaftlichen Modeströmungen in den Vordergrund zu stellen und wichtiger zu nehmen, höher zu bewerten. Der Lehrer sollte um eine fließende Entwicklung wissen und Jetzt-Zustände auf keinen Fall als immer gegeben bewerten.

Der Lehrer darf nicht Pessimist sein, und die für uns scheinbar nicht vorhandene Zukunft durch eingepaukte Tugenden ersetzen.

Der Lehrer muss die größtmöglichste Perspektive leben und erwecken und sich selbst sowie den Schüler überraschen lassen.
Je mehr Gewicht der Lehrer der Begabung eines Schülers gibt umso mehr Raum und Bewusstsein nimmt diese ein und automatisch wird dadurch dem Negativen Zuwendung entzogen.
Je mehr wir das Gute, das ein Schüler macht, betonen – wird dadurch nicht automatisch das Negative weniger mit der Zeit?
Es ist viel, viel mehr Einsatz, den die Erde, das Leben, von uns verlangt. Ist es nicht viel mehr so, dass wir uns scheuen die Arbeit auf uns zu nehmen Werte zu leben und das Liebenswerte dieses Planeten herauszuarbeiten und zu betonen? Dr. Bueb schneidet auch das Thema der Vorweihnachtszeit mit den dazugehörigen Geschichten an. (S.126 ff.) Und ich frage mich, sind es nicht wir selbst, die keinen Mut mehr haben zu den Geschichten? Sind es nicht wir die denken, wer seinen Kindern Mystik baut, sei ein unfähiger Idealist und mache sie nicht tauglich für die Gesellschaft mit ihrer Ellbogengesellschaft.
Wieso erwarten wir Gefolgschaft? Sind wir so zufrieden mit uns? Wieso erwarten wir nicht etwas über uns hinaus? Kinder werden gehorsam geboren, ihnen bleibt gar nichts anderes übrig. Sie müssen mit allen Sinnen in ihre Welt horchen und sich darin erfahren. Über einen weit übers Tierische hinausgehenden Zeitraum. Ab einem gewissen Alter probieren und erfahren sie ihre Kräfte und brauchen Mut in die Welt hinein zu gehen, Mut, sich selbst zu erkennen und anzunehmen und mit sich selbst leben zu können. Das hat mit Nichten mit Gehorsamkeit zu tun. Eher damit, ob wir nicht unsere Kinder verlassen. Pausenlos fliehen wir vor der Erinnerung, dass wir sterblich sind. Was halten wir von Verständnis? Und natürlich lassen wir ein Kind nicht vors Auto rennen! Nicht aus Erziehung, sondern, weil wir es nicht verlieren wollen. Weil wir es behüten. Wo ist das Wort behüten gefallen?

Nicht Unterordnung ist es, was es zu erlernen gilt, sondern den Anderen wahrzunehmen und Achtung vor ihm zu haben, ihn zu respektieren, seine Wünsche und Bedürfnisse ernst zu nehmen.

Schon die Worte von Dr. Bueb: das „mühselige Geschäft der Erziehung“ sind entlarvend! (S.18)
Ist es nicht eine der wertvollsten folgenreichsten Aufgaben, die es gibt und vielleicht sogar der ewige Sinn unserer Existenz? Die Freude, Anvertraute zu haben, und sie bei sich aufwachsen lassen zu dürfen, ihnen zu helfen, ihre Träume und der Menschheit Träume und Sinn zu verwirklichen. Mir klingt zu sehr der Arbeitsaspekt aus dieser Formulierung. Ist es nicht eigentlich das Schönste, die Möglichkeit zu bekommen, so vielen Schicksalen zu helfen?!
Wieso Sehnsucht nach Rezepten? Weil wir zu unserer Angst nicht stehen können, dass wir nie sicher sein können. Dass alles falsch sein kann, dass wir blind sind. Ist dies nicht auch dem ewigen Versicherungs- und Absicherungsanspruch entsprungen?

Oft denke ich auch, wenn ich höre, dass das Abi das A und O der Welt sei, wie beschränkt dieser Blick auf die Welt ist. Man vergisst ganz, dass es überhaupt wichtigere Dinge im Leben als Schule geben könnte, geben kann und auch andere Wege, ein sinnvolles Leben zu führen.
Was wollen wir von den Menschen? Sollen sie funktionieren oder sollen sie kreativ, fleißig, mit aufgeschlossenem Denken, wachen Blicken, Flexibilität diese Welt aktiv heilen und eine überraschende Zukunft schenken? Wir müssen umdenken. Der Mensch, das Wertvollste was wir haben, braucht Zeit und Hoffnung.
Wir legen heute sehr viel Wert auf das richtige Beurteilen der so genannten „Realität“. Den Schüler wahrnehmen, wie er sich uns angeblich darstellt, anstatt in ihm eine Vielzahl von Möglichkeiten, Ansätzen, Wundern zu sehen und diesen einfach ein bisschen „Sauerstoff“ zu geben – damit sie vielleicht doch leben, wachsen, überhaupt den Mut bekommen, zu sein. Lehrer müssen in einem Schüler seine Möglichkeiten sehen, und den momentanen Stand nur in soweit erfassen, wie Samen, die noch unter der Erde liegen.
Es ist auch im Leben so, dass nichts vollkommen fertig ist. Keine Kunst, kein Aufräumen, keine Beziehung selbst ein großer Dom muss „fertig gehalten“, instand gehalten werden. Es gibt immer etwas darüber hinaus und unsere Einstellung bildet sich aus Beendigungs-Kompromissen, dem definierten Zeitpunkt, dass etwas zunächst fertig sei. Es bleibt immer Weg, selbst wir selbst sind immer wieder neu. Der Mensch sehnt sich jedoch nach Abgeschlossenheiten, klarer Übersicht Fertigstellungen, nach einem „so ist es!“ Vielleicht gilt es im Leben und gerade auch in der Erziehung, im Umgang mit Menschen, damit bewusster zu werden, um die Kompromisseinigungen sinnvoll und förderlich anzuwenden.

7. Kapitel
Es gibt viele Fragen und Unsicherheiten, Identitätsschwierigkeiten. Wo bin ich, wer bin ich, was will ich, soll ich? … So ist es vielleicht immer das Hilfreichste, die nahe Umgebung und Umstände und Zeit zu erkennen zu suchen. In welcher Zeit befinden wir uns, was ist die besondere Herausforderung dieser Zeit? Welche anerkannten und nicht anerkannten Verhaltensweisen machen diese Zeit aus?
Ich fühle mich recht hilflos angesichts der großen Fragen.
Ganz sicher spüre ich eines schnell, schnell, schnell, schneller, mach schneller, macht schneller, mach alles gleichzeitig, aber du musst ruhig sein, entspannen, meditieren, Wellness, Fitness, Kosmetik, Bildung, professionell, erfolgreich. Schnell, schnell, ruhig, ruhig, schon zu spät, vorbei, atemlos pflegen.
Die leise Melodie eines Zuges und dieses Rattern durchzieht die ganze jetzige Existenz, unsere Eile, eilen um flüchtiges Geld, wie schnell es aus dem Fenster fällt. Eile, Eile.
Meine Großmutter hat in ihrer Lebensspanne eine Entwicklung erlebt, die meine Fantasie an Grenzen bringt. Erst gab es Wege, Kutschen, dann die gefährlich anmutende Dampflok, vor der sie sich fürchtend im Haus versteckte, die wie ein Tier aus fremder Zeit, die Städte durchzog, kaum später saß sie im Flugzeug und betrachtete im Fernsehen die ersten Menschen auf dem Mond.
Ich lese ein Buch eines Astronauten, in dem die Möglichkeit entsteht, dass wir eines Tages auf einen Planeten auswandern, deshalb wird alles kleiner und materieloser, die Telefone zu Handys, die Computer und und und. Wir sind einem rasanten Wandel unterworfen und mitten drin. Gleichzeitig kommen die geistigen Erkenntnisse über körperloses Reisen, über das Gehirn, über seelische Leistungen, Erfolge, Seinsweisen.
Was ist der Mensch? Und wo ist er und wo gerade jetzt? und ist er beschützungswürdig oder ein anstrengendes, dreckmachendes Etwas. Mir brummt der Kopf, ich weiß es nicht.
Ich öffne das Zugfenster und denke das einzige, was sicher ist, ist, wir sind in Bewegung, wir sitzen in einem Zug. Wir können nicht mehr wie früher sagen, die anderen, die anderen sind schuld. Wir wissen um Zusammenhänge. Wir wissen, dass alles in Beziehungen steht. Wir wissen, dass wir in einem Zug sitzen, wir können auch nicht mehr sagen, ach dann gehe ich fort dort wird es besser. Wir wissen, dass es überall ist, dass wir eine Erde sind, eine relativ kleine Erde und es kein Ausweichen gibt. Und das jedes Gepäckstück, sei es uns noch so fremd, Teil dieses Zuges ist und mit fährt. Das Bewusstsein der Globalisierung, das alles verbunden ist, und zusammenhängt, ein richtig Fremdes gibt es nicht mehr, es gibt nur unterschiedliche Weisen des Seins und des damit Umgehens. Wir ahnen weltweit sogar religiös, dass die verschiedenen Gottheiten in eine Gottheit münden, dass die Wege dahin nur verschieden sind, wie die Sprachen. Wir ahnen dass es keine Lösung durch gewaltsame kriegerische Auseinandersetzungen geben kann, dass uns etwas überrollen könnte, alle, egal welcher Nation, Religion, welches Glaubens, Atheismus wir sind. Und so sitzen wir im Zug und beginnen uns zu fürchten auch vor unserer Eigenexistenz und Verantwortung. Wer hat uns gelehrt, mit Bewusstsein zu leben? Entscheidungen zu wagen? Auszuhalten, dass wir nicht einmal wissen, wer wir sind?
Und in diesem Wissen kann uns bang werden und wir schreien nach einem Lokführer, nach einem Schaffner, nach Auskunft, nach einem, der einfach sagt, wo es hingeht, was ist. Der uns die Zeit deutet und definiert. Dann finden sich einige, die sich zu einer gewissen Entscheidung aufraffen – die positiver Denkenden aus Hilfsbereitschaft oder Mitleid; die Negativeren, die denken, wo ich eh keinen Sinn finden kann und alles keinen Zweck hat, kann ich mich wenigstens bereichern und am Reichtum, an Anerkennung und Macht solange nuckeln bis sie mich eingelullt haben, bis dass die Fragen schlafen.
Diejenigen, die den Zug und seine Fahrstrecke in Richtung Weiterentwicklung zu mehr Menschlichkeit als sinnvoll erachten, und so lieben, dass sie hoffen ihm treu zu sein, und deshalb Aufgaben übernehmen. Und die, die alles vergessen, noch im Speisewagen speisen, nach dem Motto: nach mir die Sintflut leben, ohne es zu bemerken.
Müde schaue ich auf den leeren Sitz mir gegenüber, abgenutztes Polster. Spuren. Wie viele haben darauf gesessen? Wohin sind sie gefahren, was haben sie gedacht, gehofft, geträumt, getan, geplant? Wir sind eine eingelullte Gesellschaft geworden, denke ich müde, es ist schon Arbeit zu denken, dass andere menschliche Wesen auf dem Sitz gesessen haben könnten. Eine eingelullte Gesellschaft…schnell lenk mich ab … Es ist gut, Geld zu machen, ein Haus zu bauen, zu kämpfen, zu streiten, sich zu profilieren, Hauptsache es funktioniert. Es wird erwartet, dass es funktioniert. Wir erwarten ununterbrochen. Mir fallen die vielen Auslesesendungen, Castings genannt, im Fernsehen ein; der Beste, der Passendste, eine Auslese. Es ist eigentlich nicht so schwer das Bestpassendste zu finden, zu sein, zu bilden. Schwerer ist, mit dem Unpassenden Wege zu finden, schwerer ist, wirkliche Träume zu erdenken, die die Menschen nähren. Nahrung der Seele, echte Vorbilder zu finden. Zu zeigen, was nicht leicht ist.
Der Getränkewagen kommt durch den Zug. Quadratisch, praktisch, erfolgreich, der schnelle Genuss, der schnelle Erfolg und nach Gebrauch entsorgen, Mehrwegflaschen. Flaschen, leere Flaschen denke ich, kurz geschmückt, kalt prickelnd vorbei, ich habe die Cola schnell getrunken.
Jemand steigt ein, setzt sich auf den freien Sitz; Schweiß auf seiner Stirn, er ruft die Worte fast verzweifelt in sein Handy hinein „ich hätte es wirklich wissen können, du erwartest immer alles mögliche von mir, Du hast erwartet, dass ich komme, dass ich bestehe, ich hätte erwarten können…“, die Verbindung wird unterbrochen. Er schaut zum Fenster hinaus, abgekämpft und leeren Blickes. Ich denke über das Wort Erwartung nach, Erwartung, ich weiß, was kommt, ich habe es mir zurechtlegen können und ich warte darauf mit fester Bestimmung, ich erwarte es mit Nachdruck und etwas anderes kann nicht sein. Ist das Problem nicht auch dass schon das ein Sichtetwasvormachen ist. Wir wissen gerade eben nicht was, wir machen uns etwas vor. Wir sind eine Erwartungsgesellschaft geworden, wollen mehr haben als dienen: Alles einfach, berechenbar, risikolos…wir erwarten etwas vom Leben? Wo ist das Bewusstsein hingekommen dass das Leben etwas von uns erwartet? Dass wir dem Leben etwas zu geben haben?
Wir sind bequem geworden. Wir müssen nicht mehr umgraben, warten bis eine Pflanze wächst, gedeiht und sie bei allen Mühen vielleicht doch verlieren…
Wir sind auf sofortige Befriedigung und Antwort aus, was ist mit der Geduld und der Hoffnung?
„Wir müssen umdenken“, wie Herr Dr. Bueb sagt, „aber wir dürfen nicht aus Zukunftsverzweiflung in Selbstverherrlichung und Selbstgerechtigkeit verfallen.“
Die Erfahrung von Sinnhaftigkeit hat großen Wert für den Menschen. Wir müssen denken: Was kann ich einbringen, geben? Wie kann ich mich einbringen? Wo will ich mich einbringen? Was ist mein Beitrag? Was kann ich geben – und nicht, was brauche ich, will ich, möchte ich? Wo empfinde ich Lust und Sicherheit?
Deshalb haben viele junge Menschen die pausenlose Antwort: Ich weiß nicht, egal. Egal, weiß nicht, egal; oder wählen den falschen Weg, auf dem ihnen befohlen wird, wie sie sich einbringen, wo es lang geht: Die extremen fanatischen Gruppen, die rechtsextremen Gruppen und die Sekten aller Art, geben klare Auskunft darüber, wo es hingeht und wo es hinzugehen hat, und weisen klare Aufgaben und Bewertungsstrukturen zu, die auf jeden Fall schon mal eines gemeinsam haben: Ausgrenzung!

In unserem Zeitalter geht es um Annehmen und um Neuerwecken. Bei der Empfindung sich überhaupt einbringen zu dürfen, zu sollen, entsteht ein gesundes Selbstgefühl. In der Gabe kann sich sanft auch der Gebende erkennen. Dann ist es nicht egal…Kinder empfinden große Freude bei Sinn, Sinneinsicht, Sinngefühl.
Erneuern und Zerstörung ist nur dann gut auszuleben, wenn sie etwas neuem Raum gibt – ähnlich wie Erde umgraben. Wir graben nichts um, deshalb wird Zerstörung fehlgeleitet in wilden Amok.
Wo sind wir hingekommen?
Es kann sein, dass es mangelt an Lebensfreude, an Achtung voreinander. Es stimmt, dass wir zu einem furchtbaren Zustand der Rücksichtslosigkeit gelangt sind. Aber Rücksichtslosigkeit lässt sich nicht weg erziehen. Sie entlarvt einen Mangel an Achtung, der entstanden ist an einer mangelnden Fähigkeit, Beziehung aufzunehmen. Ein Gegenüber wahrzunehmen und es anzuerkennen. Rücksicht ist ebenso „nur“ eine natürliche Folge.
Ist es nicht auch so, dass unsere Nachfolgenden uns gar nicht mehr achten können mit der Art, wie wir ihnen hohlen Materialismus vorleben?

Das Anvertrauen von Gaben. Wieder ein Wort, dass mir im Buch fehlte. Anvertrauen. Ich vertraue dir etwas an. Du hast mir etwas anvertraut.
Wenn ich zu einem Kind sage, ich vertraue dir für diesen Tag den Haushalt an, so klingt es komplett anders, als wenn ich sage, du hast den Haushalt zu machen. Anvertrauen schenkt dem anderen eine Aufgabe, die ihn erhebt. Es setzt eine Beziehung voraus. Es ist ein Mitwirken. Es baut an Beziehung. Neben der Tatsache des Aufräumens wächst etwas anderes heran; eine Fähigkeit – eine Verantwortung. Es traut dem Gegenüber Stärke zu.
Durch die Lautsprecher ertönt eine Stimme, wir müssen leider aufgrund technischer Mängel unserem Reiseplan eine Wendung geben. Wir fahren über eine andere Stadt. Wendung…der Gleiswechsel ist spürbar. Müssen wir nicht, muss die Menschheit nicht einen Gleiswechsel vornehmen, und ein anderes Ziel anfahren? Müssen wir nicht schnellstmöglich unsere eingefahrenen Gleise verlassen, einen anderen Blickwinkel wählen, eine andere Weise definieren?
Ist nicht der Weg der Menschheit an einem besonderen Punkt angelangt, an einer großen Herausforderung, einer Wendepunktmöglichkeit, wo es gilt, klare Entscheidungen zu treffen für einen weiteren Weg – eine für lange Zeiten bedeutende Richtung zu wählen?
Gerade durch die Globalisierung, die weltweite Erreichbarkeit der meisten Menschen, das Bewusstsein einer Erde. Die Erkenntnis, dass die Erde uns selbst nur wie Kosmetik, ein kleines Geschehen auf ihrer Haut, empfindet. Die neue Relativität, die jeder gezwungen ist wahrzunehmen.
Stehen wir nicht weltweit vor der Frage: Wählen wir diesmal den mühsameren beschwerlichen Weg des Friedens? Trauen wir es uns zu? Oder haben wir zu wenig Liebe zum Leben? Zu wenig Glauben an unsere Kraft und Fähigkeit? So dass wir uns zurückziehen in ein Geschehen lassen in ein Verschließen und zerstören lieber in Kriegen, Abgrenzungen, und Ausgrenzungen.
Auf diesem Weg ist sicherlich ein wesentlich wichtiger Punkt das Aufwachsen unserer Kinder. Derjenigen also, die mehr Mut zum Frieden, zur Toleranz, zur Geduld, zum Teilen haben sollen, als wir es bis jetzt hatten – die weniger Angst haben und die Existenz der Menschen heilsamer für die Erde gestalten können.
Es stellt sich die Frage, welche Hoffnung, welches Vertrauen setzen wir in unsere Kinder? Trauen wir ihnen zu, mehr als wir zu sein? Weiser? Sind wir aus diesem Gefühl heraus in der Lage sie zu erziehen? Sie zu pflegen?
Wichtige Begriffe sind Zuwendung und Konstanz. Die Erfahrung von Geborgenheit muss der Mensch zunächst erst machen. Die Religionen vermitteln einen Gott, der immer da ist, aber wie wollen die Menschen diese Erfahrung vermitteln ohne selbst zu wagen über einen Zeitraum da zu sein, so gut es trotz unserer menschlichen Begrenztheit geht.
Ich denke an die Dostojewski-Zitate. (Siehe Anhang) Es stellt sich mir die Frage: Wie viel Achtung haben wir vor dem Leben und vor etwas, das größer ist als wir selbst noch? Können wir es überhaupt noch ertragen etwas nicht mehr unter Kontrolle zu haben?
Ist es nicht eher Mut zur Zuwendung, zur Hinwendung, der uns fehlt? Mut zur Wendung? Ist nicht gerade unsere erkaltete Sicht, schneller, besser, kürzer, mehr Erfolg, mehr Geld, mehr Durchsetzung ein Hindernis?…Die Angst, dass man nicht durchkommt, verdeckt dass das Wachstum Zeit braucht, dass es uns nicht immer vergönnt ist, die Frucht unserer Arbeit zu sehen. Wenn wir dieser Einstellung noch Disziplin schenken, beginnt dann nicht ein furchtbar kaltes verbrecherisches Rechthabereitreiben beginnt?
Das große Geschenk von Zeit, Zeit widmen, zuhören, da sein, schätzen lernen.
„Zeit ist Geld“, beruflich – also wie ist es wirklich für uns auf privater Ebene?
Wir stellen „Zuwender“ ein, Kinderfrauen, etc. Solche „Zuwender“ fühlen sich sinnvoll, wenn sie – oder weil sie – bezahlt werden.
Mir stellt sich die Frage ob wir vergessen haben, Geld als Mittel zu empfinden? Sehen wir es sogar als Bewertung?
Wir müssen den Mut aufbringen uns dem Leben zu nähern. Mut zu Leben!
Vielleicht sollte unsere bisherige Sichtweise des menschlichen Lebens hier enden, wir umsteigen in eine neue Weise der Betrachtung des menschlichen Lebens und der Betrachtung der Kinder.
Eine Wendung machen, denke ich und steige in den Zug, der von der falschen Richtung einfährt – aufgrund einer Baustelle – was alle Einsteigenden verunsichert. Eine andere Richtung, als die gewohnte. Wieso falsch? Also falsch, weil sie hier in diesem Fall nicht vertraut ist?
Ich bin eingestiegen, der Zug fährt in die richtige Richtung – ein Glück. Unversehens sitzen wir manchmal im falschen Zug, denke ich.
Der Zug hält mitten auf der Strecke zwischen Äckern, wir werden informiert dass wir wegen eines Defektes auf unbestimmte Zeit halten.
Auf einmal wird es mir beängstigend bewusst: es gibt kein Aussteigen, die Türen sind verschlossen, die Fenster sind zu. Es gibt kein Entkommen. Ist das übertragbar? Ist es auch mit unseren Verhaltensweisen, Erziehungen so?
Es erfordert einen großen Mut, eine bestimmte Entschiedenheit – den Mut zum Verfehlen – eine Wendung zu machen. Unsere Welt ist an einen Wendepunkt gekommen. Inzwischen wissen wir soviel über den Menschen. Das Gehirn, die Seele, die Gene, die Entwicklungen, die Erde, das Weltall, dass wir uns aufs Neue entscheiden müssen für den Menschen, für das Menschliche. Wir müssen uns der Existenz aufs Neue zuwenden und neue Blickwinkel wagen. Auch hier gibt es kein Aussteigen, wir sind in dieser Zeit, und unsere Handlungen sind das jetzige Geschehen.
Vielleicht können wir einiges von Außen nicht beeinflussen, aber unsere Weise mit Dingen umzugehen macht sehr viel aus. Auch das in-Bezug-setzen, was wir immer tun müssen, und das Bewusstsein von uns selbst in der Zeit. Ich denke, wenn ich woanders wäre, schon ausgestiegen oder zuhause geblieben oder, oder… Aber nun bin ich hier im stehenden Zug, wie verbringe ich diese Zeit? Auch Lebenszeit, Zeit meines Lebens?
Mir fallen die Worte ein: Du musst das machen, wenn du das gemacht hast, dann… und dann… dann darfst du, dann lebst du, dann kannst du dich um das Kümmern, was dir wichtig ist…bis unser Leben plötzlich nur noch aus dem Muss besteht – aus der hinter sich zubringenden Zeit – ein Herunterreißen von Zeit geworden ist. Und das, was nach dem Wenn kommt, haben wir uns abgewöhnt, bis wir es gar nicht mehr wissen oder glauben können. Schleichend entfallen uns unsere Wünsche und Träume, auch unser Willen und wir, Uns-selbst-verloren-Habende, eilen von seltsam betäubter Gleichgültigkeit weiter.
Der Zug setzt sich wieder in Bewegung…– warum rege ich mich so auf verspätet zu sein? Weil ich Verdienstausfall habe, klar, aber auch, weil ich wohl gerne zeitig da gewesen wäre. Lebenszeit, denke ich, wie habe ich diese wartende Zeit verbracht? Denken kann ich überall, womit fülle ich meine Lebenszeit? An der Verspätung kann ich nichts ändern, nichts ändern an dem Aufgehalten-worden-sein, aber mir wird auf einmal klar, frei bin ich nur in Bezug auf mich selbst. Auch die verwartete Zeit ist meine Lebenszeit.
Machen wir es uns vielleicht zu einfach? Oft tun wir auch im Berufsleben vielleicht sinnlos erscheinende Dinge, fühlen uns aufgehalten in unserer Existenz, aber weil wir Geld bekommen sagen wir: es ist sinnvoll.
Hier ist durch die Verspätung vielleicht sogar ein Geldverlust im Spiel, was diese Zeit wertlos und stressgeladen macht. Vielleicht aber war das erzwungene Herumsitzen, das Denken für irgendetwas in meinem Leben, die an diesem Tag wesentliche Handlung….der Zug fährt weiter.
Disziplin – Dis-zi-plin – DIS-ZI-PLIN – höre ich die Räder rattern. Sie drehen sich, bleiben nicht stehen, weiter, weiter, weiter, auf den Schienen bleiben, einfach drehen, nicht denken, warum, weiter…Disziplin.
Ist es Disziplin, dass wir aufstehen und unsere Sachen in die Hand nehmen, weitermachen?
Bedeutet Disziplin ein Dranbleiben, ein sich mit dem passenden Mitteln seinem Ziel nähern, eine Treue? Heißt Disziplin nichts als das konsequente, leidenschaftliche Dranbleiben an einer erhofften und geplanten Sache?
Als solches ist das Wort Disziplin immer zu missbrauchen und für falsche Zwecke einzusetzen, weil es nur ein Mittel ist.
Ähnlich einem Mixer, wenn aber in der Schüssel Gift ist, ist seine Funktion tödlich.
Disziplin ist in gewissem Sinne keine Tätigkeit. Sie ist eher eine natürliche Folge eines Wunsches, Folge von Zuneigung – und ein taktisches Mittel.
Disziplin ist auch einfach ein Trick, eine Möglichkeit, aber sie ist in gewissem Sinne keine Tat, wie Lieben. Sie ist ein Mittel der Verarbeitung und Bearbeitung.
Disziplin ist eine natürliche Folge, kein Selbstzweck, und sie entsteht sogar aus sich heraus.
Wollte man eigentlich eine Mutter, die ihr Kind regelmäßig füttert, loben wegen ihrer Disziplin? Gehen wir dann nicht zu weit, können wir dann nicht gleich Roboter nehmen?
Wenn wir unsere Angst, uns zuzuwenden oder Unfähigkeit uns zuzuwenden durch Disziplin kaschieren und durch sie ersetzen, erkaltet unser gemeinsames gesellschaftliches Leben auf bedrohlich zerstörerische Weise. Es wird hohl; die Gemeinschaft ist dann eine ausgehöhlte Fassade. Wir entfernen uns dabei nicht nur von den anderen, sondern auch von uns selbst. Dieses Verhalten, oder diese Weise von Tun, ist ohne Verlust durch Maschinen und Roboter zu ersetzen.

Durch den Lautsprecher ertönt eine Stimme: „Bitte steigen Sie am nächsten Bahnhof aus, dieser Zug endet hier.“
Wir irren ziellos, weil wir unsere eigene Existenz verraten, indem wir sie nicht ernst und gewichtig zu nehmen wagen, uns nicht bekennen, nicht zu unserem Sein bedingungslos stehen, sondern es geschehen lassen, sagen egal, egal, das war schon immer so, was kann ich schon machen, das geht sowie so nicht, niemand würde es verstehen. Einfach mit trotten, und zu vergessen suchen. Gibt es wirklich eine Übereinkunft? Ein Bedingungsloses so und nicht anders ?
Das Leben ist nicht so einfach, wie wir es gern hätten, was für den einen gut ist, kann für den anderen schlecht sein. Wir können uns der Entscheidung nicht entziehen und wir müssen es auf uns nehmen unser Tun jeweils neu zu verantworten. Es gibt nur die Gemeinsamkeit von Blumengießen, den Erhalt von Zuwendung.
Der Zug hält, ich eile schnell, schnell in den nächsten Haushalt.

8. Kapitel
Auf der Rückfahrt lese ich weiter.
Auf Seite 11 sagt Herr Dr. Bueb: „Der Erziehung ist vor Jahrzehnten das Fundament weg gebrochen, die vorbehaltlose Anerkennung von Autorität und Disziplin.“
An sich schon mal ist dieser Satz schwer zu verstehen, die Anerkennung von Autorität und Disziplin sei also das Fundament der Erziehung, das drückt für mich ein erschütterndes Weltbild aus, und die Assoziation, dass der kleine Mensch ein wildes Tier sei, geradezu feindlich bedrohend. Und dann noch die vorbehaltlose Anerkennung von Autorität und Disziplin, ich erschrecke vor dem Bild, das in mir aufsteigt, dem Bild eines bedrohlichen Machtgefälles, einer von Oben nach unten gerichteten Weltordnung, was aus meiner Sicht der Menschlichen Existenz nicht gerecht wird. Eine vorbehaltlose Anerkennung von Autorität sollte es gar nicht geben. Der Mensch ist ein verantwortungsfähiges Wesen und muss sich ihr stellen und somit auch jeweils hinterfragen und aus seiner freien bewussten Entscheidung Autorität verleihen. Vorbehaltlose Anerkennung von Autorität und Disziplin öffnet Tür und Tor für viele furchtbare Vergehen und mitmenschlichen Missbrauch, der am Ende noch kaschiert und gerechtfertigt wird durch die Leugnung etwas gewusst zu haben oder gar damit zu tun gehabt zu haben, sich durch vorbehaltlose Anerkennung der Schuldfähigkeit entziehen zu können. Sollte man nicht viel eher durchdacht, begründet anerkennen anstatt vorbehaltlos, ohne Prüfung der Berechtigung? Gerade das muss doch in der Erziehung vermittelt werden. Eigenes freies denken, nicht blinder Gehorsam, Folge leisten etc.
Zudem ist Autorität eine Folge, lebt ein Mensch auf eine bestimmte Weise, folgt daraus, dass er Autorität hat, eine Autorität ist.
Disziplin ist auch eine Folge in gewisser Weise Verfolgt man ein Ziel, ist einem Ziel treu, entwickelt man Disziplin.
Um eine bestimmte Sache zu erreichen, kann man Disziplin als Zweckmittel einsetzen, aber sie ist keine Größe aus sich, Disziplin ist immer auf etwas gerichtet das vorher da sein muss, und die Disziplin als etwas Förderliches definiert und nicht als etwas krankhaftes. Disziplin und Autorität können nicht ohne Zusammenhang mit etwas, zu etwas gesehen werden.

Das Fundament der Erziehung sollte geschütztes Gedeihenlassen sein. Etwas Wertvollem das sich entwickelt Schutz, Versorgung und Fürsorge zu bieten und es vorbehaltlos anzuerkennen.
Das Fundament von Erziehung ist außerdem menschliche Beziehung. Verfolgt man ein Ziel, ist einem Ziel treu, entwickelt man Disziplin.
Das Fundament von Erziehung ist auch: Achtung vor dem Menschen. Achtung vor dem Leben. Achtung vor der Zeit. Ist Glauben an die Zukunft, ist Hoffnung, ist Glauben an den Menschen, ist Weiterentwicklung, ist Liebe.
Autorität und Disziplin sind eine der vielen möglichen Weisen und Hilfen, aber kein Zweck in sich.
Die diszipliniertesten Menschen sind vermutlich jene, die es gar nicht von sich wissen und nicht bemerken. Disziplin ist eine natürliche Folge der Liebe.

Eine graue Landschaft zieht am Zugfenster vorbei, abgebrochene Bäume, karg und eintönig im Grau der Abendstimmung. Die Dunkelheit kriecht geradezu aus der Erde mit düsteren Erinnerungen.
Einen Bogen spannen, die Erinnerung, das Ererbte und das Jetzt, das Jetzt-sich-bildende, denke ich. Wir müssen uns erinnern und fragen, wohin wollen wir? Was bedeutet uns Wert? Welchen Wert weisen wir wem zu? Welche Brücke wird unser Leben bauen, wie wird sie aussehen und was wird sie überbrückend verbinden?
Der Zug fährt über die Rheinbrücke, unter mir der Fluss mit seinen Schiffen, über mir der Himmel mit Flugzeugen, an den Ufern Häuser, vor mir der große Dom…Stein auf Stein haben die Menschen über viele Zeiten daran gebaut, ohne im eigenen Leben vielleicht jemals den Dom gesehen zu haben, und dennoch ohne die kleinsten, scheinbar unbedeutendsten Schritte, wäre es nicht gegangen. Ich denke plötzlich die Steine des Doms, kann man es also geradezu an ihnen mahnend ablesen, dass es dort wo man gerade jetzt ist, wichtig ist zu handeln und es in einem Zusammenhang wirkt. Und dass auch, wenn man den Wert seiner Tat nicht merkt oder gerade nicht wahrnimmt, sie dennoch einen Wert hat und einen Wert von Bedeutung haben kann? Und wir können oft nicht wissen, wo es hinführt. Die Menschen damals, die am Dom bauten, haben ihn nie fertig gesehen, wie er jetzt über Jahrhunderte in den Himmel ragt und viele hatten vielleicht große Zweifel an ihrem Tun. Auch in der Erziehung bleibt immer ein „Wer weiß“. Ein Tun in kleinen Schritten. Der Versuch eine Beziehung zu leben. Zuneigung ist ein Beginn. Wir werden nie wissen, was aus unseren Kindern wird und ob alles richtig war, und, und, und. Aber wir können versuchen, einen guten Weg zu sehen. Wir können sie einer wichtigen Zeit entgegen gehen sehen.

Der Zug hält im Bahnhof, ich gehe durch die Straßen, ich sehe arme Menschen und denke an den Sozialdienst. An Herrn Dr. Buebs Beschreibung der Dienste fehlt auch, dass sie außer dem Erlernen eines Dienstes auch dazu dienten, die Realität wahrzunehmen, zu sehen und im Bewusstsein zu haben.
Die Sozialdienste in Salem sollten das Weltbild erweitern, auch durch Erinnern, dass der Planet nicht nur den glücklichen Reichen gehört: Der Welt des Golfens, Segelns….sondern auch den in Not befindlichen, den Leidenden, denen, die ohne Geld – herausragend jedoch einen armseligen Alltag bewältigen und durchstehen. Es sollte die Mitleidensfähigkeiten wecken, Emphatie und das Bedürfnis zu helfen, hilfreich auf diesem Planeten zu sein.

Jetzt will ich nach Hause, in eine Schutzzone sozusagen. Schutzräume, denke ich, uns anvertrauten Menschen, können wir ihnen einen Schutzraum anbieten? Ist das auch eine Teilmöglichkeit, die Schule geben kann?
Herr Dr. Bueb spricht davon, dass alle Einrichtungen der Bildung und Erziehung – auch die Familie – auf dem Prinzip der Unterordnung unter eine Autorität beruhen. Es ist nun wirklich schade, wenn nur von Unterordnung unter eine Autorität gesprochen wird. Man denkt direkt an das Wort autoritär, dessen Bedeutung in eine ganz andere Richtung weist. Etwas anderes ist, wenn man eine Autorität anerkennt, akzeptiert, weil sie einem sinnerfüllt und berechtigt erscheint. Unterordnung ist nicht gleich Ordnung und Ordnung muss nicht zwingend auf Unterordnung beruhen.

Müssen wir nicht gerade hier eine neue Gewichtung leben? Es ist allenfalls eine nebensächliche Folgeerscheinung, dass hier auch Autorität und Anerkennung dieser Autorität und nicht Unterordnung gelebt wird. Ist es nicht am dringendsten, das Augenmerk darauf zu richten, dass Schule eine Einrichtung der Achtung vor dem Menschen und der Menschlichkeit ist, und dass wir in ihr einen Schutzraum zur Verfügung stellen und bauen, in dem die Menschheit lernen kann; in der wir Erfahrungen weitergeben können, in der wir Wissen erlangen, forschen können und frei werden sollten, unser menschliches Dasein in die Hand zu nehmen. In großer Achtung vor dem jungen, mehr aufnehmenden, suchenden Menschen und dem alten, mehr weitergebenden, lehrenden, zeigenden Menschen.
Wir beugen uns der Schulpflicht, weil wir hoffen, vertrauen, glauben, dass wir so einer breiten Menschheit eine große Möglichkeit des gemeinsamen Lernens geben.
Heute stellt sich die Frage, ob es wirklich gut ist, seine Kinder dieser Schule, wie sie sich zurzeit meistens zeigt, anzuvertrauen und zu überlassen.

Die kalte Luft auf der Straße, die vielen Menschen, plötzlich denke ich wieder, finde es auch beschämend, dass ein Lehrer und Rektor, wie Herr Dr. Bueb, der auf der reichsten Schule, am besten versorgt, am schönsten gewohnt, zu solchen Aussagen kommt. Sind da nicht die Verhältnisse verloren gegangen?!
Ist nicht bei diesem ganzen Reichtum einer Schloss-Schule zu erwarten, dass sie auch ein paar Missstände der Gesellschaft mit trägt, aufgreift und heilt?
War das nicht auch der Gedanke des verlorenen Sozialdienstes? Jetzt ist es so, die reiche Elite neigt sich kurz zu, um dann ein Leben auf ihrer Ebene zu führen und sich noch mit Fabrikarbeitszeiten, „Ich kann mitreden…“, brüsten kann. Was ist mit Hauptschulrektoren, Krankenschwestern? Was sind das für Worte aus welcher Ebene?

Dort der Eingang zu meiner Wohnung. Dieser Tag ist geschafft. Schnell packen für morgen. In welches Morgen wollen wir was mitnehmen?
Es ist dringend an der Zeit, dass wir uns wieder bewusst machen, wo wir hin wollen.
Rhythmus hat etwas sehr Beruhigendes, es ist leichter etwas zu Ende zu bringen, zu erfüllen, durchzuhalten in einem Rhythmus, mit einer vertrauten disziplinären Haltung. Aber Leben wir nicht gerade in einer Zeit, in der unser Rhythmus aufgebrochen wird? Wir müssen offen sein für plötzliche Veränderungen, für wechselnde Rhythmen, für schnelle Brüche. Ohne unsere Arbeiten und wertvollen Dinge zu verlassen, umschwenken können, auf neue Weisen uns neu zurechtfinden und weiterbringen. Wir müssen Unterbrechungen ertragen lernen, flexibel mit ihnen umzugehen. Wir müssen lernen, dass Unterbrechungen uns nicht bedrohen. Wir müssen sie mit einbeziehen und unsere Fäden immer wieder neu aufnehmen können.

9. Kapitel
Aufstehen, Zähne putzen, Kaffee, Wäsche, aufräumen, packen, laufen, der Straßenfeger kehrt dieselbe Ecke wie gestern, wie vorgestern, wie letztes Jahr und morgen wird er sie auch kehren und immer wieder ist Dreck da. Im Zug blättere ich durch das Buch und lese auf Seite 105: „Lehrer erleben in 40 Berufsjahren die ewige Wiederkehr des Gleichen. Immer, wenn eine Generation von jungen Menschen einigermaßen erzogen und gebildet die Schule verlässt, wächst eine neue Generation von nicht-erzogenen Jugendlichen nach. Das gleicht der Arbeit des Sysiphus, der nach dem griechischen Mythos dazu verdammt war einen Fels auf den Berg zu rollen, der dann sofort wieder hinunter rollte. Die gleiche Mühsal begann von neuem.“
Sysiphusarbeit? denke ich. Der menschliche Körper muss da mehr Sysiphusarbeit leisten, Essensaufnahme, Abgabe, immer das Gleiche, einatmen, ausatmen. Was im Leben unterliegt nicht diesem ewig gleichen Prinzip?
Hier wird die Arbeit eines Pädagogen als „Sysiphus“-arbeit gesehen. Doch dieser arbeitet mit Menschen am Brennpunkt des Lebens, hilft Zukunft zu bauen. Was ist mit einem Beamten, einem Fließbandarbeiter und auch einer Hausfrau? Staub putzen, Staub putzen. Müssen nicht die Pädagogen gerade erst wieder erfahren, wie wertvoll ihr Beruf, ihre Zeit, ihr Einsatz ist, dass sie am Strom des Lebens arbeiten?
Jede Arbeit ist ein Schräubchen, aber Pädagoge ist nicht der schlechteste Platz. Alles Leben hat Wiederholung. Aber es sind nicht mal dieselben Steine, es sind immer neue. Müsste man nicht auch bei der Ausbildung darauf hinweisen, welch wertvoller Beruf das ist? Die Arbeit mit den Menschen, mit Lebewesen allgemein? Kein Lebewesen ist nicht einzigartig in irgendeiner Weise. Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen ist eine Arbeit mit einzigartigen Individuen, es gibt aus dieser Perspektive keine sinngefülltere „luxuriösere“, keine interessantere Arbeit. Die einstigen Schüler werden Forscher, Arzt, Astronaut, Gesetzgeber, Machthaber, Eltern. Was ist diese Arbeit gegen Fabrikarbeit, Büroarbeit? Es ist keine Sysiphusarbeit wie: putzen, wie Fabrikarbeit, es ist immer ein neuer Mensch! Ein anderer Mensch, was mag der Schreiber dieser Formulierung für ein Weltbild haben, eine Frau bekommt ein Baby und wieder eines, wenn wir das Sysiphusarbeit nennen was dann?!
Der morgendliche Kiosk ist voller Zeitschriften: schöne Figur, gesundes Herz, Sport man sollte Sport machen. Ich renne zur U-Bahn, oh ja, ich muss auch Sport machen, in der Zeitung steht: 20 Minuten dreimal in der Woche Springseil und man ist schön.
Ich kaufe mir ein blaues Seil. Ja, ab morgen werde ich Seilchen springen.
Ich blättere ruhig im Buch.
Ja, Sport. Ich lese auf S.14: „Was zunächst wie eine Folge schneidender Befehle klang, wurde von den Spielern als fortlaufende Liebeserklärungen erlebt.“ Was für ein seltsamer Satz, ein Gefühl von Stolpern im Gehirn. Nichts an diesem Satz scheint mir richtig und vor allem zusammen zu gehören, wie eine Schüssel, in der ein Ei, ein bisschen Sand ein Stück Butter und ein wenig Papier liegt, es wird gut gemixt, Schokoladenglasur darüber und da steht der Kuchen.
Ich finde, die Beschreibung des Sportes falsch! Die Schüler erlernten ein schlichtes Handwerk und erlebten Freude an sich, wenn sie dieses Handwerk ausführen können, mit Liebeserklärung hat das nichts zu tun. Ein Handballspiel ist ein Spiel, in dem wir uns spielerisch beweisen können, aber vor allem auch unsere körperliche Existenz erfahren und ihr Gutes tun. Dieser beschriebene Lehrer war einfach menschlich nett! Er liebte den Sport, er liebte Handball zu spielen, es machte ihm Spaß, Sport zu treiben und er freute sich daran diese Erfahrung weiterzugeben. Er war geradlinig, lebte sich selbst, ein positiver Macho, breite Schultern zum anlehnen, die einen ermutigten sein Leben in die Hand zu nehmen. Die andere Lehrerin deren Erfolg in Bezug auf die Schüler Herr Dr. Bueb erwähnt, war voller Achtung den Schülern gegenüber, das war ihre Kunst und nicht der Führungswille, den sie mit anmutiger Weise kaschierte.

10. Kapitel
Warum hält die Bahn, mitten auf der Strecke? Glücklicherweise ist ein bisschen Licht am Ende des Tunnels zu sehen, aber es tut sich nichts. Dann ertönt eine Stimme über die Lautsprecher: „Aufgrund von heftigen Regenfällen ist die Strecke nicht mehr befahrbar: alle Reisenden werden gebeten, den Ansagen genau Folge zu leisten, es besteht kein Grund zur Panik, bitte bewahren Sie Ruhe und stellen sich an den Türen geordnet auf….“. Alle versuchen so gut es geht, den Ansagen zu gehorchen und so können alle die Bahn verlassen.
Später, als ich die Fahrt in einem anderen Zug wieder aufnehmen kann, lese ich die Sätze Dr. Buebs über Gehorsam. Ich sehe zum Fenster hinaus und plötzlich denke ich, Gehorchen kann ein rettendes Verhalten sein, und manchmal der einzig mögliche Weg aus einer Notsituation, aber Erziehung ist keine Notsituation, kein bedrohlicher Unfall.

Gehorsamkeit ist auch nur eine Folge einer Entscheidung.
Gehorsamkeit.
Kommt es vielleicht von Gehör? Ich schenke dir Gehör?
Die Voraussetzung für Gehorsamkeit muss Vertrauen sein. Ich darf nur gehorchen, wenn ich vertrauen kann, dass es dem Guten dient, nicht Schaden anrichtet, weder hier noch bei anderen, noch der Welt. Ein paar Sitzreihen weiter steht ein Soldat auf um etwas aus seiner Tasche zu holen, er hat vielleicht ein paar Tage Heimurlaub, denke ich. Und da taucht in mir die erschreckende Frage auf, ist es wirklich eine Tugend, dass der Soldat morden muss, weil er gehorchen muss?
Die Tugend der Gehorsamkeit, gibt es sie überhaupt?!.
Wieso sich verflüchtigen hinter Regeln wie beim Militär? Wo bleibt das Ethische von Zeit und Geduld und Liebe-beweisen? Von dem zu-Dir-stehen durch Dick und Dünn und Krisen überwinden?
Ist es nicht doch nach dem Motto, wenn Du Dich nicht benimmst, dann musst du weg, dann stoßen wir dich aus. Wenn du nicht passt, zurechtkommst mit Dir oder der Welt, dann ist kein Platz für dich in unserer Ordnung.
Und dass in einer Zeit der Freiheit, Toleranz.
Wenn ein Kind geborgen ist, will es gehorchen. Ist uns dieser Gedanke vollständig verloren gegangen? Es hat mindestens 6 Jahre gar keine andere Möglichkeit, es ist in allem abhängig, es muss uns vertrauen.
Wenn das Kind nicht gehorsam ist aus sich heraus, was wenn überhaupt immer nur zeitweise vorkommt, dann geht es meistens um die Suche nach sich selbst und nach der Wahrheit und nach wahrem Vertrauen können. Fällt uns Erziehern das Gehorsamsein des Kindes vielleicht erst auf, wenn es ungehorsam ist, wir uns also der Ungehorsamkeit mehr widmen als der Gehorsamkeit?
Gehorsamkeit ist keine Eigenschaft oder Tugend, die Glück, Segen, Reichtum, Toleranz oder Frieden bringt. Gehorsamkeit allein für sich ist blind, ist wahllos.
Gehorsamkeit im Positiven ist Nachfolge, ist die Entscheidung, Vertrauen schenken zu können, zu wollen. Sie ist eine Folge einer Entscheidung. Der wirklich Gehorsame aus diesem Grund nimmt seine Gehorsamkeit gar nicht mehr wahr.
Müssen wir also mehr den Wert, der in dem Mut zur Entscheidung, zur Bekennung, liegt betonen?
Selbst beim Auf-die-Straße-rennen darf das Kind nicht blind gehorsam sein. Es weiß, dass seine Eltern es geborgen halten, größer sind, mehr sehen und es vertraut darauf, dass sie es besser übersehen und es nicht verlieren wollen, darum nimmt es die Worte gehorsam wahr und setzt sie um.
Betonen wir gerade darum Gehorsamkeit so sehr, weil wir selbst nicht mehr so sehr lieben können, weil unsere Kinder mit ihren ewigen Fragen an uns, uns lästig sind? Weil wir keine Zeit für Antworten haben und weil wir auch keinen Mut haben, ihnen geduldig vorzuleben, dass man mit Fragen leben kann? Weil wir keine Kraft mehr für unsere Kinder haben und auch nicht aufbringen wollen, weil sie uns dauernd mit uns selbst, unserem Leben konfrontieren? Weil sie uns anecken lassen an allen gesellschaftlichen Ängsten, uns blamieren uns mit Liebe und Abhängigkeit und Hilflosigkeit konfrontieren? Weil sie immer und immer fragen: Warum esst ihr, wenn andere hungern? Warum habe ich kein Auto? Warum…? Gilt es nicht eher unsere Feigheit abzubauen?
Gehorsamkeit ist eine gute Sache um Feigheit zu verhüllen. Ich gehorche, ich weiß nicht warum, ich habe es nicht gewusst… Wo beginnt da der Ansatz zur Erziehung verantwortlicher, friedensfähiger Menschen?
Wollen wir unsere eh zu kurz gekommene Kommunikationsbereitschaft noch weiter kürzen? „Sei gehorsam, tu, frag nicht, sei still…?“(S.58)
In der Armee muss man gehorchen, sonst ist sie kaputt, nutzlos, machtlos, aber sie ist auch eine Maschinerie zum Töten, zum Dienen an Waffen, zum Dienen mit der Bereitschaft zum Mord, was hat dieses Thema, das ein politisches ist, in einem Erziehungsbuch zu suchen?!!
Es fehlt uns nicht an Soldaten und Machthabern und Autoritäten in jeder Form, es fehlt uns an guten Botschaften an neuen Ideen, an Lösungen, an Gandhis. Haben wir das vergessen?
In Rettungsdiensten ist es nicht Gehorsamkeit, die sie so tragfähig macht, dort ist es die Entscheidung der Nachfolge eines Handlungsstranges für eine gute Notwendigkeit. Nicht Gehorsam ist der Schlüssel sondern eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben, ein routinierter Ablauf, aber gleichzeitig das konkrete situationsbedingte Handeln. Denn nur dieses kann mit unerwarteten Situationen Sinn machen, wo Gehorsamkeit aufhört Lösungen zu präsentieren.

Ein Koch gehorcht in diesem Sinne dem Kochbuch auch und geht ihm nach.
Er liest die Wegweisung und dennoch, hofft man sogar dort, dass er mitdenkt, denn es könnte ein Druckfehler sein und und und…
Beim Sport gehorcht man den Spielregeln, man hört auf die Spielregeln. Ohne aufeinander zu horchen, gibt es kein Miteinander.
Aber gerade heute ist es besonders wichtig, die Betonung aufs Horchen wieder zu entdecken und die Gehorsamkeit selbst als eine nebensächliche Folge stehen zu lassen.
Gehorsamkeit ist eine Folge von Glauben schenken.
Geben wir unseren Kindern die Möglichkeit, uns Glauben zu schenken. Aber wenn wir den Glauben an uns selbst verloren haben und dann stille Gehorsamkeit verlangen, landen wir in der Gefahr Schreckliches zu fördern und es kommt auf Grund der menschlichen Angst und der Bequemlichkeit zur Wiederholung der furchtbaren geschichtlichen Zeit. Missbrauch darf kein Einwand sein.(S.60)
Es fehlt nicht an dem Wunsch nach Autoritäten, es fehlt an Menschen, die zu Autoritäten von Innen gewachsen sind und Geborgenheit schenken können.
Es gibt wieder Nazis, Neonazis, weil es einfach ist: „Ich denke nicht, ich folge den Regeln, ich habe klare, daraus folgende Konsequenzen, ich denke nicht und erkenne mich bei Anerkennung als funktionierend, mit Existenzberechtigung, die darauf beruht: ich brauche nicht zu denken und nichts zu schenken und nichts zu wagen und nichts allein zu verantworten. Ich habe meine menschliche Blindheit, das Bewusstsein, dass ich ein Suchender bin, dass ich letztlich die Dinge nicht alles durchschauend und überschauend wissen kann, dass ich auch in gewisser Weise nur begrenzt weiß, wer ich bin und nicht weiß, was nach dem Tode ist, eben dass Bewusstsein, dass die Wahrheit immer etwas zu Suchendes bleibt, komplett verleugnet. Es ist eine große Gefahr die menschlichen Ängste der Existenz einfach zu verdrängen und es ist eine Versuchung der aufregenden Wahrheit zu entfliehen, dass wir letztlich mit uns selbst konfrontiert sind und zwar allein und dass wir uns und die Welt im Laufe unseres Lebens erst finden, und dennoch immer handeln und entscheiden und Folgen auslösen. Insofern ergeben wir uns diesen Fragen fliehend in eine andere Blindheit, die uns die Möglichkeit des Denkens und Hinterfragens und der menschlichen Sicht nicht einräumt. Alles ist bestimmt und entschieden und bestimmbar. Was fremd ist, nicht hineinpasst, wird weggeputzt.

Die so genannte antiautoritäre Erziehung hatte den Grundgedanken, dass Zeit keinen großen Wert hat. Diese Erziehungsform hat sich in diesem Sinne geweigert, Geborgenheit, Halt und Trost zu schenken. Es war die Verweigerung einer Entscheidung und eine gewisse Missachtung der Hilflosigkeit des Kindes, ein Wegdrängen menschlicher Wahrheit.

Das Buch in meinen Händen klappt auf S.58 noch mal auf und ich lese wieder
„Alle Einrichtungen der Bildung und Erziehung, auch die Familie soll hier als eine solche Einrichtung gelten, beruhen auf dem Prinzip der Unterordnung unter eine Autorität.“ Familie beruht nicht auf Unterordnung vor Autoritäten, wir sind kein Affenrudel! Familie ist ein Zusammenhalt, eine Zusammengehörigkeit im gesunden Fall aus Liebe. Es ist ein Geborgenheitsgefäß. Da sich in einer Familie schon die körperliche Größe unterscheidet und der Grad der Hilflosigkeit, der Abhängigkeit und das Maß der vergangenen Zeit, sowie Maß der noch zukünftigen Zeit, findet sich im gesunden Fall eine natürliche Ordnung.
Es ist nicht gut die Autorität in den Vordergrund zu stellen. Wir sollten lieber fragen: Sind die Eltern in der Lage überhaupt schon sich selbst anzunehmen und sich zuwenden zu können? Glaubt also ein Vater selbst nicht an seine Kraft, das ist doch lächerlich, diesen hilflosen kleinen Wesen gegenüber.
Wir Erwachsenen haben Angst vor dieser Hilflosigkeit. Angst sie zu sehen, damit umzugehen, es scheint uns bedrohlich den Boden unter den Füßen fortzuziehen. Es macht uns Angst vor uns selbst und dem Sinn und dem Leben. Wir versuchen dieser Erkenntnis zu entfliehen, um nicht zu erkennen und nicht zu entscheiden, um nicht annehmen zu müssen, um nicht einfach etwas zu wagen. Zu wagen uns der Hilflosigkeit zu stellen und im Bewusstsein unserer Begrenzung und Schwäche Stärke zu wagen. Wir wagen oft nicht unsere Kinder zu lieben.
Jedes kleine Kind wird seinen Vater/Mutter ehren und will ihn/sie stark. Es ist eigentlich eine natürliche Autorität gegeben, es ist nur, dass wir uns weigern sie anzunehmen. Dazu gilt es nicht Autorität zu lernen sondern unsere eigene Menschlichkeit wieder anzunehmen. Familie sollte im gesunden Fall ein Schutzraum sein, um diese schwierigen Dinge austragen zu können, der Grundstock für die Entwicklung einer Fähigkeit zum Frieden, die nicht von außen aufgedrückt werden kann.
Unsere aus angeblicher Einsicht dem System geradezu vorauseilend gehorchenden Studenten, neigen sich oft innerlich ab, sind total gehetzt, von Zukunftsangst zerfressen, Anerkennung einzig anstrebend, in der Hoffnung auf möglichst schnellen Verdienst. Auch ist es keines Weges so, dass man durch Fleiß und Leistung zum Ziel kommt. Wichtiger sind gesellschaftliche und familiäre so wie geldliche Beziehungen und auch Geschicklichkeit im Blöffen und rücksichtslosem Ausleben von Einzelinteressen.
Weiterhin beschreibt Herr Dr. Bueb auf S. 59 Gehorsamkeit als einen Ausdruck der Würde und als das Wichtigste in der Erziehung und den Verlust der Gehorsamkeit als das ursächlichste Leid der Erzieher, der Inhalt dieser ganzen Seite hat etwas sehr fragwürdiges und ermüdendes für mich. Ohne Frage ist es für Lehrer schwer geworden, die Schulsituation ist sicherlich in eine Not geraten, aber es sollten ganz andere Dinge, als die Gehorsamkeit angeführt und besprochen werden. Bei meiner eigenen Arbeit habe ich festgestellt, dass die Gleichgültigkeit, die Teilnahmslosigkeit ein ursächliches Übel ist – und die Bequemlichkeit in Bezug darauf Fragen zu stellen und diesen stattdessen auszuweichen, einzuschlafen in gewissem Sinne. Sie ist auch bei Kindern nicht natürlich und entsteht wie eine Art Depression.
Stellen wir uns eigentlich der Herausforderung die Erde anzunehmen? Sind wir in wilder Wirtschaftsverwöhnung und Konzentration auf Äußerlichkeiten überhaupt noch bereit uns unserer Aufgabe zu stellen, die Erde und die Menschlichkeit zu verteidigen. Leben wir im Bewusstsein einer Zukunft und einer Vergangenheit, einem Bewusstsein, dass wir an etwas mitwirken, Teil dieser Jetzt-Zeit sind und etwas hinterlassen, dass wir Spuren ziehen. Wir schreiben Erziehungsbücher, während junge Menschen erkennen müssen, dass ein Kind eine ernste Bedrohung ihrer beruflichen und gesellschaftlichen Träume werden kann.
Ich lese weiter.
Wieder ein Wort: Machtgefälle. Ich denke an den Mann, den ich im Zug sah, wie er das Buch, “Partnerschaften sind Machtbeziehungen“ las. Macht ist kein schön besetztes Wort. Macht hat Opfer.
In seinem Buch (S.12 und S.73) benutzt Herr Dr. Bueb das Bild des Schiffers und des Gleichgewichts, und erklärt, dass die Seite im Boot, auf der die Güte, die Liebe ist, erst wieder in einem anderen Zeitalter betont werden solle, jetzt gelte es die Härte, Disziplin, Gehorsam, Macht zu betonen. Aber das zeigt, dass der Glaube an Güte klein geworden ist. Dass der Glaube an die Kraft der Liebe klein geworden ist.
Auch spricht er in seinem Buch von Würde. S 56-ff. Aber ist es denn nicht so, dass die Echtheit einer Person Würde verleiht und verleihen sollte. Würde sollte keine Folge von Machtgefälle sein. Würde bekommt man verliehen, sie ist nicht aufgezwungen oder entschieden. Ich habe den Eindruck, dass sehr viele Jugendliche bereit sind zu würdigen, was man an vielen Ereignissen, musikalischen, gesellschaftlichen und auch z.B. dem Kirchentag oder zum Papstbesuch in Köln sehen konnte. Aber vielleicht gibt es zu wenige, denen man Würde verleihen kann, haben sich die letzten Generationen einfach ihrer Verantwortung verweigert ?. Ich schaue aus dem Fenster, die aufkommende Dunkelheit verhindert ein klares hinaus schauen, verschwommen schaut mich mein Spiegelbild in der Scheibe an, “ Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Jeder Mensch hat Würde egal welchen Alters und welcher Stellung. Und dass heißt wir sollten jedem diese Würde zugestehen, ihn als Mensch ernst nehmen und achten. Sobald die Würde verletzt wird, welches Menschen auch immer, ist alles im Argen. Draußen ist es Nacht geworden.
Glauben wir gar nicht mehr daran, dass unser Kind uns liebt? Dass dieses kleine Wesen uns schlichtweg liebt. Sollten wir nicht Eltern das jeden Tag sagen?
Stellen Sie sich vor, es liebt sie. – Ja, da wird uns bang.

Kapitel 11
„Meine Eltern können bestimmen, ob Du kommen darfst!“ sagt einer meiner Schüler, „Du musst hier was leisten, dafür wirst Du bezahlt!“ – Haben die Kinder, die Eltern, Macht über mich, frage ich mich – die Eltern können bestimmen, ob ich kommen darf, aber ich muss auch kommen wollen, denke ich.
Macht – in Herrn Dr. Buebs Buch kommt das Wort sehr oft vor.
Was bedeutet Macht?
Was verbinden wir mit Macht?
Macht ist immer etwas Fremdes, es ist kein Begriff, den man in persönlichen Beziehungen eigentlich benutzen will. Benutzt man den Begriff Macht, schwingt sofort eine Abgrenzung, Distanz, die entfernt, mit. Hier der die Machtposition-Innehabende, weit weg und übergeordnet und dort der Machtlose, Untergeordnete, der dieser Macht Ausgelieferte. Dadurch ist die persönliche Beziehung in gewisser Weise von einer Mauer durchzogen. Ein König hat Macht über sein Volk, aber es umgibt ihn auch eine Unnahbarkeit, ein Abstand im Persönlichen und ein gewisses Ihm-ausgeliefert-sein.
Wenn man sich z. B. ein Liebespärchen vorstellt und der Mann sagt: „Meine Frau hat Macht über mich“, so wäre man doch irritiert und würde nicht glauben, dass es eine gute Liebesbeziehung ist.
Im Zusammenleben einer Familie würde man auch hoffen das Wort Macht nicht gebrauchen zu müssen, weil Macht schon eine befremdete Stimmung im Wort ausdrückt. In Machtkämpfen ist etwas sehr Fremdes. In Machtkämpfen sind Gegner sich gegenüber – und dieser Punkt reicht mir schon: Kinder und Eltern sind keine Gegner und sollten keine Gegner sein.
Wieso kommt es überhaupt zu diesem gegnerischen Wahrnehmen? Wenn das Kind ernsthaft seine Eltern als Gegner wahrnimmt, dann muss etwas nicht in Ordnung gewesen sein. Wenn der Erwachsene die Kinder als Gegner erlebt, muss auch etwas ganz und gar nicht in Ordnung sein, vor allem auch in seiner Selbstwahrnehmung. Er sieht sich unrealistisch klein und vertraut seiner Stärke, seinem Alter seiner Erfahrung, kurz, sich selbst nicht. Oder er lässt eine selbsteingerichtete Sichtweise und Planvorstellung nicht los, kann sich nicht frei machen einen anderen Menschen wahrzunehmen. Eventuell sieht er sogar einen Teil von sich im Gegenüber und fühlt sich davon angegriffen.
Es kann immer sein, dass man ein Verhalten nicht verstehen kann oder nicht weiß, wie mit einer Situation umzugehen ist, aber dies allein macht einen nicht zu gegnerischen Parteien. Man kann versuchen über die Situation etwas zu lernen und Lösungen anwenden. Wie man es ja auch macht, wenn ein Kind krank ist: Man holt sich ärztlichen Rat.
Macht erfordert Untergebene, dies in familiären Beziehungen in irgendeiner Weise nützlich zu finden und einzusetzen scheint mir sehr fraglich und nicht wünschenswert. Natürlich, naturgegeben sind die Eltern die Starken und die Erfahrenen und sie sind die Beschützer von etwas wertvollem schwächeren, dass sie auch erst kennen lernen.
Es sollte viel mehr das Starke im Sinn von Beschützendem im familiären Verhältnis benutzt werden. Zu einem wirklichen Machtkampf kommt es erst, wenn eine persönliche Beziehung gestört ist, ein freundschaftliches Verhältnis verloren gegangen ist, und die Partner sich als Gegner wahrnehmen.
Die angeblichen „Machtkämpfe“, um z.B. Süßigkeiten im Supermarkt, sind keine Machtkämpfe. Der Erwachsene besiegt eigentlich den Zucker und nicht das Kind. Würde er einfach gegen besseres Wissen nachgeben so hätte er das Kind dem Gegner Zucker ausgeliefert.
Warum fühlen sich die Erwachsenen so schwach, haben Angst ein Nein auszuhalten?
Warum haben sie Angst eine laute Situation durchzustehen?
Genau da sehe ich eine Schwierigkeit: wenn das Kind diese Angst sieht und spürt zweifelt es am Erwachsenen und an der Welt. Es fühlt sich allein, bedrohbar oder sogar bedroht.
Auch ist die Frage, wieso der Erwachsene überhaupt denkt, dass das Kind den Zucker will um den Erwachsenen zu ärgern, oder um ihm zu widersprechen. Ist es nicht einfach nur wild auf das Naschzeug und diesem Bedürfnis ausgeliefert? Ist es nicht gefährlich zu schnell zu denken, das Kind griffe uns an? Wieso überhaupt sollte ein Kind uns angreifen wollen? Woher kommt der Gedanke und wie entsteht er?

In der Pubertät geht es extrem um Selbstfindung. Selbst stark zu werden, das braucht Auseinandersetzung und Erfahrungen, die auch selbst gemacht werden müssen. Das Bewusstsein, dass Erwachsene nicht so stark sind wie sie schienen, und das Wahrnehmen eines Zweifels an deren Beschützungsfähigkeit ist nicht einfach.
Warum sollte es überhaupt für uns angenehm und leicht sein Kinder aufzuziehen? Warum dürfen wir uns ständig beschweren: „ach die Trotzphase… die Pubertät…“… Ist es nicht vielleicht so, dass wir daran reifen und lernen und ständig gefordert sind, wie in vielen anderen Dingen auch?
Früher sagte man, der Wille muss gebrochen werden. Aber was eigentlich verstehen wir unter Willen?
Das Kind soll sich unserem Willen beugen…ist das nicht irgendwie seltsam, da es doch später einen eigenen Willen entwickelt haben soll? Und selbständig Verantwortung tragen soll und Wissen soll was es will?
Der Erwachsene ist gezwungen das Kind in jeder Situation zu beschützen. Es geht nicht um Willen aufzwingen oder brechen. Es geht um beschützen, fördern, lehren, zeigen, mitteilen. Um einen Weg zu finden die eigenen Kräfte kennen zu lernen und umzusetzen, um mit sich und anderen leben zu können.
Auch Höflichkeit darf nicht zur Lüge werden, denke ich, sie ist und bleibt ein wunderschönes Mittel des gegenseitigen Umgehens voller Respekt und Achtung. Sie sollte nicht ein Mittel zu einem egoistischen Zweck sein und rücksichtslos verlogen als Stilmittel missbraucht werden.
Ich denke auch manche Dinge sind viel einfacher. Man muss sie als solches gar nicht lernen, sie entstehen aus dem Wunsch anderen nicht unnötig weh zu tun, oder auch daraus anderen eine Freude machen zu wollen.
Unsere Denkweise ist in Vielem sehr zweckmäßig geworden. Zuweilen fällt es uns sogar schwer eine nette Geste als nett stehen lassen zu können, da wir sofort eine Forderung oder ein strategisches Spiel dahinter vermuten.

Weiter hinten im Buch(S.56/57) spricht Herr Dr. Bueb von Amtsautorität. Allein die berufliche oder auch gesellschaftliche Position, das Amt, das man innehat, verleihe einem zwingend Autorität, die bedingungslos anerkannt werden müsse, unabhängig vom Verhalten. Und diese Achtung sei der Amt tragenden Person grundsätzlich entgegen zu bringen. Auf diese Weise Achtung vor einer Person ausschließlich aufgrund Ihrer Position zu erzwingen, halte ich für sehr fragwürdig. Eines Amtes muss man sich als würdig erweisen und erhält dementsprechend seine Achtung und Anerkennung und Würdigung des Amtes, dass man übernommen hat. Übt jemand sein Amt schlecht aus, kann es großen Schaden anrichten ihn anzuerkennen.
Natürlich ist ein Lehrer kein Schüler. Schüler wollen Lehrer respektieren.
Das muss aber in einem natürlichen Zusammenhang sein, von sich aus geschehen, und darf nicht von oben zwangsweise aufgedrückt werden.
Wenn ein Lehrer sich nicht wie ein Lehrer verhält, kann er nicht wie ein Lehrer respektiert werden.
Wer Autorität besitzt braucht keine Achtung erwarten. Schon das Erwarten von Achtung als Gedanke wäre eine seine Autorität untergrabende Haltung. Autorität ist nichts Aufsetzbares. Es ist eine Ausstrahlung, die aus einem inneren Bewusstsein erwächst, und von der Umwelt, dem Gegenüber erkannt, anerkannt wird.
Wenn unsere Kinder keine Achtung vor Älteren haben, dann sagt das aus, dass sie keinen Wert der Zeit mehr kennen. Ihnen ist nicht bewusst, wie viel mehr Tage und Fragen es zu bestehen gab. Wir achten Alter auf Grund der Wegstrecke die bereits zurückgelegt wurde. Wir haben Respekt vor der Länge des Weges und der Zeit und dies dann grundsätzlich erstmal für alle Älteren, weil ihr Herz schon länger schlug. Von einem Lehrer sollten die Schüler wissen, dass er vieles hat lernen müssen und einen weiten Weg ging bis dahin. Dass er mutig und bereit ist sein Wissen weiterzugeben und sich mit Schülern auseinandersetzt.
Es sollte so sein. Wenn es so wäre, würde eine Weise von Würdigung und Achtung entstehen.
An dieser Stelle frage ich mich wieder: Würdigen wir wirklich die Aufgabe des Jungen Menschen zu wachsen? Würdigen wir den jungen Mensch?

Viele Seiten, die nun noch im Buch folgen, lese ich mit sehr bedrückten Gefühlen. Sehr vieles halte ich für untragbar und gefährlich.
Noch dazu ist dieses Buch für breite Massen geschrieben, was ich umso gefährlicher finde. Auch politisch ist doch der Gedanke richtig, dass eigentlich alle Menschen einen Staat, eine Gruppe, eine Zusammengehörigkeit wollen – einen Schutzraum. Aber ist es nicht immer dann schlimm, wenn sie sehen, dass dieser Schutzraum zerbricht auf Grund irgendwelcher Verlagerungen, Interessen und heute schlichtweg aus Nachlässigkeit und kurzfristigem Denken?
„Nach mir die Sintflut“ ist die Haltung von einigen Menschen. Politikern, Managern, Eltern. „Ja, ich hab noch meinen guten Wein…wenn Du groß bist, musst Du sehen, wo Du bleibst, wie du mit den verpesteten Meeren umgehst, was du noch Trinken und Essen kannst, wie du überhaupt ein gesundes, erfülltes Leben leben kannst unter den erkrankten Umweltbedingungen.“ Es gibt zu wenige Umsetzungen in langfristig zu fördernde Lösungen, sowohl im politsch gesellschaftlichen, als auch in Umwelt-und Energiefragen. Auf vieles müsste man vielleicht verzichten und seine Zeit und Energien in eine Zukunft investieren. Den Fragen gerade der Jugend müsste man sich stellen und ihnen auch aufzeigen, dass Veränderung möglich ist, und dass ein Mitbauen an der Zukunft notwendig ist. Und die Schicksale der Menschen betonen und zeigen, die sich für die Welt und eine gesündere menschenwürdigere Zukunft einsetzen und eingesetzt haben.

Die Begriffe: Macht, Disziplin, Gehorsam sind mit Recht schlecht besetzt.
Macht muss auch anvertraut werden. Und anvertraut werden können.
Ein Löwe hat Macht über die Gazelle. Was ist an Macht so bewundernswert – es ist ein naturgegebener Zustand. Der Stärkere über den Schwächeren, es ist eine naturgegebene Rangordnung. Was ist daran so bedeutend? Es ist nichts, was wir erarbeiten müssen mit unserem menschlichen Wesen.
Es ist etwas, das uns Arbeit macht.
Mehr Arbeit, mehr Gefahr, mehr Gedanken, mehr Möglichkeiten zum Scheitern.
Es ist nicht aus sich schön, Macht über seine Kinder oder andere zu haben.

Wieder weiter lesend ärgert mich die Beschreibung der Erziehung eines erblindeten Kindes, Die Eltern kamen mit ihrem erkrankten Kind nicht zurecht, wussten damit nicht umzugehen und verfiehlen in eine bemitleidende Verwöhnhaltung. Das Kind reagierte darauf mit Agressionen und begann sich durch Forderungen die nötige Zuwendung zu holen. Dann stehen auf Seite 63 die Worte „In ihrer Not stellten die Eltern eine ausgebildete Erzieherin ein, die die Situation schnell erkannte und in einem langwierigen, die letzten Kräfte aller Beteiligten beinahe überfordernden Erziehungsprozess die Unterwerfung dieses begabten Mädchens unter ihre Autorität durchsetzte“. Der Punkt in dieser Geschichte ist nicht die Unterordnung noch schlimmer: die Unterwerfung, des Kindes. Das Problem ist das ungesunde Mitleid der Eltern. Die Eltern konnten nicht mit der Erblindung des Kindes leben. Ihre Angst sich damit auseinanderzusetzen trieb sie zu einer zum Schweigen bringenden Fürsorge und Verwöhnung. Die Worte „Armes Kleines“, sind auch die Aussage „Du bist kaputt“. Und das Kind schreit nach Anerkennung, auch im Kranksein. Nach Fähigkeiten, auch aus seiner Situation etwas zu machen. Mit sich selbst sinnvoll und hoffnungsgefüllt leben zu können.
Dies hat nichts mit Unterwerfung zu tun.
Vielleicht hat die Erzieherin das Kind von den Schmerzen der Eltern mit dieser Situation befreit, und ihnen eine Möglichkeit aufgezeigt damit umgehen zu können, und sich auch als Eltern wieder vollwertig akzeptieren zu können. Vielleicht hat die Erzieherin auch geschafft, es von seinen eigenen verfahrenen Ängsten in diesem Lebenszustand zu befreien. Dies überhaupt als ein Beispiel und hier noch auf diese Weise zum Gebrauch von Unterwerfung in der Erziehung anzuführen ist furchtbar und falsch.
In dem Film über das Leben von Ray Charles, kann man am Verhalten und der Erziehung seiner Mutter viel lernen. Sie ließ ihren Sohn seinen Weg finden, trotz Erblindung. Sie wollte unbedingt seinen bedingungslosen Glauben an sich selbst, seine Unabhängigkeit, erhalten und erwecken, und ihn erfahren lassen, dass er sein Leben meistern kann. Sie lehrte ihn auf andere Weise sehen. Sie wollte nur eines, dass er sich vollwertig, wertvoll und selbständig erfährt.
Geben wir nicht überhaupt unseren Kindern zu wenig Chancen sich wertvoll zu erfahren?
Etwas zu können bereitet auch Kindern große Freude, und wenn sie etwas können, wollen sie es immer wieder tun und weiter üben. Ist das nicht aus Versehen diszipliniertes Verhalten? Ja.
Diese Geschichte in Herrn Dr. Buebs Buch impliziert Mitleid mit den Eltern. Und in gewisser Weise ein böses Kind, es macht den Eltern das Leben zur Hölle. Wo es schon so krank ist und sie so nett sind.
Ist nicht irgendwo darunter der Glaube an das Schlechte im Menschen versteckt? Das Mädchen wurde nicht gut durch Unterwerfung, sondern aus dem genauen Gegenteil. Nicht dem Gehorsam folgt die Entfaltung! Die Begabung ist da, sie findet ihre Entfaltung durch den Glauben an sie, durch die Freude an ihr. Die Ermutigung zur Begabung ist wichtig! Ist unser momentanes Denken eher von Zwang besetzt als von Wunsch? Können wir uns gar nicht mehr vorstellen, etwas aus uns selbst heraus zu tun, sondern nur, weil wir es müssen?
Das gesunde Kind liebt zu spielen. Spielen ist Arbeit beim Kind. Es ist Beziehen lernen, kennen lernen.
Kinder sind gerne tätig – Tun ist spannend und spielend lernen sie sich weiter. Man hilft ihnen dann ihre Begabungen anzunehmen, was nicht immer leicht ist. Denn jede Begabung bringt oftmals eine große Ungeduld mit sich, in seiner Vorstellung kann und sieht das Kind mehr als es sofort umsetzen kann, es fehlen ihm die Werkzeuge und auch die praktische leibliche Erfahrung. So kann es für ein Kind, dass eine große musikalische Begabung hat, in sich ein Musikwerk wahrnimmt, unglaublich schwer sein die körperliche Begrenzung und Unfähigkeit der Umsetzung an sich zu erfahren. Für ein solches Kind kann es unerträglich sein sich im ersten Moment des Unterrichts soweit von seiner inneren Wahrnehmung zu entfernen und nur drei Töne spielen zu können. Manche leiten diese Erfahrung um in Wut, andere geben auf. Über diese Schwierigkeit des Menschseins muss der Lehrer hinwegtrösten und es über diese Hürde führen um dann seine Begabung verwirklichen zu können. Das, was man weiß gilt es auch umzusetzen, das ist eine Schwierigkeit des menschlichen Daseins. Manchmal tun sich darum vielleicht weniger begabte Kinder zunächst leichter, weil sie Schritt für Schritt etwas für sie neues erlernen und darum schneller Erfolgserlebnisse haben, weil ihr Wunsch nicht so groß ist in dieser Beziehung. Außerdem erfüllt uns alles Große manchmal mit Angst, da es uns gleichzeitig unsere Kleinheit bewusst macht.

Nach nun doch einiger Zeit mit diesem Buch bleibt das Empfinden einer Sorge und Beklemmung. In der Zeit, wo gesunde Kommunikation weniger wird, legt ausgerechnet auch noch der Leiter einer Eliteschule ein solches Buch, mit all diesen Schlagwörtern, die es benutzt und betont einer breiten Öffentlichkeit vor. Auch noch in einer Zeit, wo wir wieder Angst haben selbstverantwortlich zu handeln, wo wir gerne in der Masse versteckt sind und zutiefst verwurzelte Existenz- und Untergangsängste haben.
Es ist sicher wahr, dass die autoritäre Erziehung sowie die antiautoritäre gescheitert sind, was kein Wunder ist, da beide von gleichen Bildern über Kinder ausgingen. Und beide den Schutzauftrag des Erwachsenen gering behandeln oder gar nicht wahrnehmen. Aus antiautoritärer Erziehung kann Verwahrlosung entstehen, aus autoritärer Erziehung können Neurosen entstehen.
Die Art der Erklärung psychischer Erkrankungen in dem Buch auf S.69 ist mir zu verkürzt dargestellt und auf eine gefährliche Weise vereinfachend, und in dieser Verkürzung auch nicht richtig. Erkrankungen der Psyche entstehen aus falsch gelebten Beziehungen, aus der mangelnden Zufuhr an Geborgenheit und Schutz für das aufwachsende Kind, aus verzerrten Wahrnehmungsstrukturen, und aus vielen weiteren Gründen. „Viele psychische Erscheinungen bei Jugendlichen, die wir als krank diagnostizieren, entpuppen sich in vielen – nicht in allen Fällen – als Folge mangelnder Führung und Disziplin“, so schreibt Herr Dr. Bueb. Im Zusammenhang dieses Buches kippt es ordentlich Wasser auf die Bequemlichkeitsmühlen der Erzieher, ein aufgedrücktes Sagen- wo- es- lang- geht und ein stures Ausführen der Befehle hielte die Jugendlichen gesund. Und weiter beschreibt er Jugendliche als Menschen, die am liebsten Party machen und trinken oder sich sonst wie gehen lassen und nur durch Disziplin und strenge Hierarchien gerettet werden können.
Ich höre heute in der U-Bahn eine Frau zu ihrer Freundin sagen: „Ich weiß nicht, ich bin von meiner mich so langweilenden und unterfordernden Arbeit so angeödet, dass ich einfach nur noch was trinken kann, dann auch zuviel trinke. Ich denke Hauptsache Lärm der alles übertönt, Hauptsache nichts zu spüren, es vergessen, nicht denken. Passt das nicht auf unendlich viele Jugendliche? Diese erzwungene Langeweile, weil man keinen Bezug hat, zu dem was man tut und tun könnte. Weil man unterfordert ist und kaum weiß, wie man die daraus resultierenden untröstlichen Gefühle unter Kontrolle hält.
Gerade 14-16-Jährige wollen an der Weltverbesserung teilnehmen, wollen Sinn im Leben. Gerade sie wollen mitsprechen, wahrgenommen und ernst zu nehmen sein. Sie sind oft voller Fragen und Ideen. „Nichterziehung“ ist ein Fehler steht im Buch, das stimmt, soweit man unter Nichterziehung versteht sich den Schutzbefohlenen zu entziehen und sie zu verlassen. Bieten wir überhaupt kommunikative Begegnungsmöglichkeiten in unserer Gesellschaft?
Gerade in diesem Alter bekommen auch die Begegnung und der Austausch mit dem anderen Geschlecht eine neue Ebene. Wo, außer auf Partys, ist ein relativ normales ungezwungenes Begegnen möglich?

Auch die Art der, in diesem Buch ausgeführten Demokratiedarstellung, zeigt ein verheerendes Weltbild: dass der Mensch schlecht sei, dass Egoismus größer sei als der Wunsch nach Sinn, der Wunsch Bedeutendes zu leisten.
Jugendliche haben großes Interesse die Welt zu ändern. Was ist nur geschehen?
Wo also haben wir unsere kleinen Kinder hingeführt? Was haben wir ihnen vorgelebt, dass sie als Jugendliche verstummen und sich in Selbstzerstörtung stürzen und in ein Übermaß der Zerstreuung flüchten, anstatt zu hinterfragen, neue Ideen zu entwickeln, anstatt erneuernd an der gesellschaftlichen Entwicklung, der Welt überhaupt, mit zu wirken, wie es gerade für Jugendliche normal ist? Gerade in der Pubertät ist der Mensch voller Energien und neben allen Unsicherheiten und Unwegbarkeiten gewillt mitzuwirken, einen Sinn zu finden, auszuprobieren und große Dinge zu verändern.
Welch ein bekümmerndes Bild kommt da von der reichen Elite herüber geweht? Wo sind die erneuernden Gedanken, der Wunsch aktiv am mitmenschlichen Leben mit zu wirken, die Notwendigkeit am politischen Leben entscheidend teil zunehmen, an der Kultur aktiv mitzubauen? Wo ist der Gedanke und die Hoffnung etwas bewirken zu können, was die Welt freundlicher, friedfertiger und gerechter macht hingekommen? Wie kann das Bewusstsein etwas bewirken zu können einfach so verloren gehen? Gerade auch noch bei jenen, die durch ihre Herkunft und ihre materiellen Mittel besonders in der Lage sind einzugreifen und etwas zu verändern.

Das Saufen ist nicht egoistischer Spaß, es ist auch mithalten wollen, es ist Suchen nach Erfahrungen, Grenzen ausloten, es ist auch die Welt der Erwachsenen, ein Stück aufgeben müssen, weil man ihre Begrenztheiten und Schwächen und Ängste wahrnimmt. Wer eigentlich möchte noch mal dieses Alter durchmachen? Und dennoch verspüren wir vielleicht ein bisschen Traurigkeit, dass die Kraft, die wir in uns verspürten, dieser Erneuerungswille nicht mehr angesprochen und genutzt wurde. Dieses Sichaufhalten in diesem Buch an den Themen Drogen und Alkohol im Internat, finde ich sehr enttäuschend. Obendrein aber dann auch noch Lösungen allein in Kontrolle, Abschiebung und Strafen zu sehen, und Disziplin als einziges Heilmittel zu predigen ist mehr als deprimierend. Bei allen gerade dem Internat zur Verfügung stehenden Mitteln, müsste es andere Lösungswege geben können. Und es entsteht der Verdacht, dass das geistige Angebot zu gering ist und Existenzfragen zu wenig Aufmerksamkeit und Berechtigung erhalten und vielleicht überhaupt sogar zu wenig und zu selten geweckt werden.
Der Stil, der in der Beschreibung des Jungen, auf S. 69 benutzt wird, hat mir im Zusammenhang des Buches etwas zu sehr selbstgefälliges. Sicherlich hat jeder Mensch eine andere Art mit Regeln umzugehen und benötigt vielleicht andere Bedingungen. Natürlich vereinfachen klare Regeln das Leben. Ist das Rauchen verboten im Raum, raucht man halt draußen und manche gar nicht mehr. Aber in diesem Fall kennen wir den Zusammenhang der Geschichte nicht. In ihr wird von einem Jungen berichtet, der wegen seiner Alkoholprobleme und Faulheit vor die Alternative gestellt wurde, entweder ein Jahr lang ein sehr strenges englisches Internat zu besuchen oder von der Schule zu fliegen. Er entschied sich für das strenge englische Internat. Dort ging es ihm gut und er wurde sehr erfolgreich. So kurz dargestellt vermittelt diese Geschichte das Recht des Erziehers zur Bequemlichkeit. Nach dem Motto: wenn du nicht weißt was zu Tun ist – Strenge ist alles, die Lösung.
Es ist mir so zu flach und hilft keinem. Außer dass ein einfacher Erzieher daraus lesen könnte, es ist schon richtig, wenn ich zum Stock greife, bei den widerborstigen Menschen.
Interessanter zu Lesen wäre, wenn andere Möglichkeiten des Umgangs, von Problemlösungen aufgezeigt würden, wenn von Ursachen, Bedürfnissen und klaren Zwecken und Lösungen die Rede wäre. „Wenn du nicht gehorchst, ab in den Keller“ – dieser Lösungsweg ist nichts Neues. Abgesehen mal davon, dass das Besuchen einer englischen Eliteschule mit einem herausragenden Angebot an Sport und allen möglichen anderen Disziplinen, und herausragenden Belohnungsmöglichkeiten und sonstigen luxuriösen Umständen und Kontakten nur einem sehr eingegrenzten Bevölkerungskreis möglich ist.
Auch gehen Menschen freiwillig in straffe militärische Clubs oder wirkliche militärische Einrichtungen, weil es auch ein einfacheres Leben ist. Man muss sich keine Gedanken machen, sich nur unterordnen, gehorchen, Stundenpläne erfüllen und dann kann man sich gut fühlen und man weiß, wer man ist: Ein Funktionierendes Etwas, ein Soldat.
Es ist nur die Frage, ob man über diese Weise in einem Buch eines Eliteschulleiters öffentlich auf diese Weise nachdenken sollte. Gerade die Elite, so muss man hoffen, müsste Kraft zur Verantwortung und zu selbständigem Denken haben. Absolventen einer Eliteschule werden später sicher keine kleinen Soldaten. Sie kommen in der Regel in verantwortliche Führungspositionen! Werden viele Schicksale beeinflussen müssen und weit reichende Entscheidungen fällen.
Warum muss man Schülersprecher wie Rektoren behandeln? Ist es nicht gerade aus dieser Sicht sehr spannend andere Lösungswege zu suchen und aufzuzeigen als die der plumpen Regelbefolgung zu propagieren? Als ob das Leben einfach wäre oder einfach sein müsste. Über Zeit gibt es in Bezug auf Erziehung viel nachzudenken.
Unsere jetzige Einstellung zu Erfolg und zu Dingen ist: Hauptsache schnell und Hauptsache sofort. Wir tun uns schwer mit den für uns schwammigen Begriffen wie Wachsen lassen, Geduld, und dem Unabsehbaren.
Auf den Seiten 72 bis 76 schreibt Herr Dr. Bueb über Psychologie es liest sich in diesem Zusammenhang fast polemisch und gießt nur Wasser auf die Mühlen derer, die Psychologie als Ausrede benutzen. Psychologie dient doch eigentlich dem Erkennen einer Erkrankung, ihrer Zusammenhänge und dem Finden der dazu benötigten Heilmittel, um diese zu heilen. Hier ist Psychologie für mich wie eine Ausrede beschrieben. Eine Verweigerung zu seinem Verhalten, seinem Tun und Wahrnehmen zu stehen und die daraus folgenden Konsequenzen zu umgehen.
Der Sinn der Psychologie ist aber ein anderer ebenso ihre Aufgabe. Insofern bekommt der Missbrauch der Psychologie hier seine Vorurteilsbestätigung. Wenn Psychologie nämlich aus Bequemlichkeit gewählt wird, weil man sich in Wirklichkeit den Problemen nicht stellt und sie als Ausrede und Begründung missbraucht.

Im Buch steht, auf Seite 73: „Die Stunde der Psychologie hatte geschlagen, als die Erziehenden das Gleichgewicht zwischen Disziplin und Liebe zugunsten der Letzteren verschoben hatten“.
Es ist keine Liebe, Ausreden für ein Verhalten zu finden, aber wie gesagt geht es an der Deutung der Psychologie vorbei. Außerdem stellt sich die Frage, ob man Liebe überhaupt unter irgendeinem Umstand weniger gewichtig machen soll, als etwas anderes und sozusagen in den Hintergrund schieben darf. Sie konkurriert mit keinem sinnvollen Verhalten. Sie schließt niemals sinnvolles Verhalten aus und bildet keine Widerspruch. Es gibt kein Gleichgewicht zwischen Liebe und Disziplin, es sind keine verschieden abzuwägenden Dinge. Liebe die keine Disziplin zur Folge hat, ist keine Liebe. Die Psychologie hat dieses Gleichgewicht nicht verschoben, sie ergründet Fragen warum keine Beziehung entsteht oder warum eine Beziehung gestört ist oder eine Beziehungsaufnahme unmöglich ist und wie sich Wahrnehmungen bilden und Verzerrungen aufheben lassen.
Auf Seite 76 erwähnt Herr Dr. Bueb den Film „Rhythm Is It“ und behauptet, dass dieser Film das Recht der Jugend auf Disziplin lehre. Ich habe diesen Film mit großer Begeisterung gesehen, wenn man aber von einem Recht sprechen will, dass dieser Film lehrt, so ist es das Recht der Menschen auf große Kunst, den Umgang mit Wertvollem, dass Recht sich zu entfalten und über sich hinaus zuwachsen und das Recht eines jeden an der Kultur mit wirken zu dürfen und anerkannt und wichtig genommen sein. Das Recht zu erfahren Teil eines Großen Ganzen zu sein, sich ein zu bringen und in einem Prozess mitwirken zu können und zu dürfen.
Die auf diesen Seiten verkündeten Aussagen, ähneln sie nicht auch stark fundamentalistischen Einstellungen? Erinnern sich nicht sehr an harte Regeln blinde Ordnung und Passen müssen?
Ist eine Institution, die ein Zuhause in einer Entwicklungsphase übernimmt nicht verpflichtet zu mehr?
Wir wollen eine humane Welt, aber wer ist bereit die Arbeit dahin überhaupt noch zu leisten?
Ist es vielleicht sogar gerade den freiheitlich erzogenen Älteren zu anstrengend, zu schwer?
Es würde einen an Grenzen bringen, aber warum diese nicht durchleben, annehmen, stehen?
Also wer gut lernt, brav ist, mit seinem Leben zurechtkommt, sich und seinen Körper diszipliniert, wo also alles klappt, der soll später verantwortliche Posten übernehmen und für diese Menschheit mit Herz, Weitsicht und Geduld handeln?
Wo bleibt der Mut zur Infragestellung, ohne die es keine wirkliche verantwortliche Entscheidungsfindung geben kann?
Es ist gefährlich aus der Position eines Eliteschulleiters, der doch eine privilegierte, in gewisser Weise verwöhnte Situation hat, ein solches Buch zu schreiben.
Wollen wir am liebsten Menschen heranziehen, die der Wirtschaft passen, die einsame Stars sind, die von großen Konzernen in Geld umgesetzt werden?
Wo leben Vorbilder ein Dazuhalten, ein Dazustehen ein Durch-etwas-durchgehen eigentlich vor? Ist es nicht gerade dieses Jugendalter, dass die Liebe prüft?
Wenn ich funktioniere nach ihren Vorstellungen, bin ich geliebt und wenn nicht, wenn ich mich als anders entpuppe und wenn ich eine schwere Phase habe, geht man mit mir hindurch? Wird „man“ zu mir stehen?
In einem Gespräch hörte ich ein Kind sagen: „die sind selber schuld, dass sie nichts haben, sie wollen ja nichts tun“ – Wie kann es sein, dass ein 10/12/14-Jähriger Mensch, für dessen Alter eigentlich noch Glaube an das Gute, Hoffnung, Idealismus normal ist, denkt und sagt, dass andere nichts tun wollen und mit Recht arbeitslos und arm sind. Wie kann das sein?
Wie haben wir das vermitteln und zulassen können?
Und dann probieren manche Kinder aus sich zu ritzen, weil der normale Schmerz so entfernt ist, dass nur das Abartige geht – das Abartige einem hilft sich zu fühlen.
Wie haben wir unsere Kinder so verstoßen können?
Wie können wir vergessen, dass Kinder lernen können, weil Eltern sie lieben und schützen?
Dass das eigene Wahrnehmen wichtig ist, von Bedeutung für das Ganze?
Wo gehen wir hin?
Es geht nicht um Rangordnung, Autoritäten, Machtverteilungen, es geht um Verantwortung, Verantwortung tragen und tragen lassen und Risikobereitschaft, das ist für den Lehrenden vielleicht mit Anstrengung verbunden.
Es geht nicht nur darum in Gemeinschaft zu bestehen, es geht auch darum allein bestehen zu können, trotz der Gemeinschaft und in Zeiten der Not, oder der gesellschaftlich erkrankten Zeiten, oder der politischen Katastrophen, dagegen stehen zu können. Auch das in Erziehungen manchmal angepriesene Verraten des Anderen als guten Zweck, halte ich für sehr gefährlich und in Wirklichkeit auch als einen Missbrauch am Kind, in dem man es zum Hintergehen eines anderen auffordert und dafür belohnt. Auch dass man Kinder dazu benutzt Verkäufer zu entlarven, die Alkohol an Jugendliche verkaufen, halte ich für Missbrauch und Erziehung zur Spitzelei, abgesehen mal davon, dass wahrscheinlich auch noch die eher verständigen, mitfühlenden Verkäufer auf diese Weise heraus gefischt werden, da sich die Kinder sicherlich gute glaubhafte Geschichten ausdenken müssen. Das gesunde, flexible Mitgefühl wird auf diese Weise verdorben. Keine Mutter lässt ihre Kinder sich gegenseitig verpetzen. Man kann über Sorgen im Vor- und Nachhinein sprechen, aber einander gegenseitig verraten und anzuschwärzen ist kein Weg den man erlernen sollte zu gehen. (78 ff)

Kapitel 12

Ein wichtiges Wort ist Antwort, Ver-antwort-ung.
Die Erfahrung, dass etwas Getanes Wert hat.
Was, wenn der Stein, der ins Wasser fällt, keine Ringe auf seiner Oberfläche erzeugte? Wir würden am Stein, am Wasser und an uns zweifeln.
Was, wenn wir ins Wasser sprängen und das Wasser zöge keine Ringe? Wir würden in Panik geraten können, da wir denken könnten, es gäbe uns nicht.
Was, wenn wir auf einen Tisch hauten und es gäbt kein Geräusch? Wir sind auf Außen, die Umwelt angewiesen um uns selbst zu erkennen.
Unsere Realitätsfindung ist angewiesen auf Antwort, Echo und Spiegelung.
Was, wenn wir in einen Spiegel schauen und uns nicht darin sähen? Wir gingen in der Sonne und würfen keinen Schatten?
Unsere Selbstwahrnehmung ist abhängig von Antwort.
Die Antwort, die wir erhalten, lässt uns uns selbst und unser Verhalten erkennen. Wir schätzen uns danach ein.
Was wenn wir z.B. einen großen Schatten würfen? Einerseits könnten wir daraus schließen, dass die Sonne tief steht oder die Lichtquelle niedrig auf uns fällt. Wäre es aber immer so, schlössen wir aus unserem Schatten auf unsere eigene Größe.
Wie also steht es mit unseren Antworten als Erzieher?
Was wir besonders hervorheben, kann schließlich zwangsläufig zur Selbstwahrnehmung des Kindes werden.
Antwortverweigerung kann zu einer ernsthaften Bedrohung der Realitäts- und Selbstwahrnehmung werden.
Wir schenken etwas und niemand bemerkt es, oder wir schenken etwas und es löst große Freude und Wahrnehmung aus? Das Ergebnis wird unser weiteres Verhalten wesentlich beeinflussen und ebenso die Wahrnehmung der Auswirkung unseres eigenen Tuns und der damit verbundenen Bedeutung bestimmen.

Der Mensch ist angewiesen auf Antwort. Er erkennt sich in der Antwort.
Alles worauf Reaktion/Antwort erfolgt, erhält mehr Bedeutung.
Liegt unsere Verantwortung in der Fähigkeit zu antworten, würde dann nicht auch die Betonung und Hervorhebung des Besseren in der Erziehung viel verändern können?

In den Unterrichten sollen Kinder Bekanntes lernen und reproduzieren. Das hat aber noch nichts mit aneignen von Wissen zu tun. Bekommen Kinder zum Beispiel ein Musikstück vorgesetzt, so sollen sie es so spielen wie es sein muss, das heißt auch wie wir es bis zu diesem jetzigen Zeitpunkt verstehen. Oft führt das dazu, dass das Kind eine gewisse Abwesenheit erlernt. Es gibt wieder, aber ist nicht dabei.
Achten wir darauf, wissen wir warum wir eine gewisse Hohlheit erfahren. Oft vergessen die Kinder ganz, nach mehreren solchen Jahren des Lernens, anwesend zu sein, und nehmen sich selbst in dieser Situation nicht persönlich wahr.
Sie nehmen sich selbst in den Dingen nicht wahr. Ihnen ist alles mehr oder weniger leer oder vor allem gleichgültig.
Der Applaus löst dann Erlernen einer Erfolgssituation aus und die Erfahrung, brav, fleißig, erfolgreich zu sein, aber eine innere Leere bleibt.
Es ist nur das Wissen Gefallen zu haben.
Es ist wesentlich, sich in Bezug zu den Dingen wahrzunehmen und sie mit eigenem Ausdruck und Sein zu füllen. Sich an die Musikstücke heran zu leben und sie an sich heran zu lassen ins eigene Leben hinein zu nehmen, zu verstehen zu suchen und umzusetzen, an ihnen zu wachsen und umgekehrt zu erfahren, dass sie an einem selbst auch wachsen können. Sie damit weiterleben zu lassen, in einer neuen Zeit, in der jeweiligen Zeit unserer Kinder. Sie die Stücke übersetzen lassen, in die von ihnen wahrgenommene Atmosphäre der Zeit.
Jede Kunst ist sicherlich in sich zauberhaft, und Zeit überdauernd, aber sie ist doch auch darauf angewiesen, dass wir sie im Jetzt beleben und in die Zukunft hinübertragen.
Wir suchen nach messbaren Größen, wir fordern messbare Größen.
Wir brauchen jedoch auch individuelle Größen.
Eine individuelle Größe setzt aber voraus, dass wir ein gewisses Wissen über uns selbst haben. Eine gewisse Erfahrung unserer selbst haben und die Fähigkeit uns darin zu zeigen, das Gegenüber darin zu erkennen und verständlich machen können, und diese weitergeben.
In einer individuellen Größe bildet sich Autorität.
Warum lehren wir die Kinder, während sie lernen, nicht mehr bei sich zu sein, eine Beziehung im Lernen zu entwickeln, einen Bezug zu den zu erfahrenden, zu übenden und umzusetzenden Dingen?
Wir haben später unendlich viele Angebote und Heilprogramme: „Wie find ich mich selbst?“ Meditierend den eigenen Atem zu erfahren, dem Rhythmus des Herzens zu lauschen, sich selbst wieder wahrzunehmen durch Meditation, Wanderungen und alle möglichen Wellness- und Heilprogramme.
Zum Beispiel im Erlernen einer Sprache kann man sich von Wort zu Wort erfahren. Schritt für Schritt sich mit den Worten in Verbindung bringen und neuen Ausdruck damit schaffen, unseren eigenen Ausdruck. Jeder Mensch ist in seiner Weise einzig, auch im Lernen.
Warum lassen wir Kinder nicht ein schweres Musikstück spielen? Anstatt immer nur die leichten, teils sehr banalen Kinderstückchen, oder vereinfachten Versionen von großen Kompositionen.
Klar ist es technisch noch nicht möglich das Stück umzusetzen, auch braucht es eine längere Übungszeit, und sicher erlebt das Kind etwas anderes damit, als ein älterer Mensch. Aber wenn das Kind es sich wünscht, es unglaublich gerne möchte, warum fürchten wir uns es zuzulassen? Unterschätzen wir nicht vielleicht damit die Größe der Seele des Kindes? Kinder sind zu klein zu unfertig um solche kulturellen Güter schätzen zu können??? Und wenn dieses Stück nicht erarbeitet wird, wie es sein soll, dann geht es kaputt, denken wir. Ist es nicht anders herum? Wenn ein Kind mit seiner existenziellen Anwesenheit das Stück erlernt und umsetzen kann, ist es ihm dann nicht viel eher möglich, eines späteren Zeitpunktes, die Aussagen des Komponisten zu verstehen und umzusetzen, weil es sich hinein gelebt hat, in Freude?

Wir suchen dauernd Stars. Menschen die mit etwas Star werden. Aber nur einzelne können Star werden.
Ist es nicht sehr wichtig aufzuzeigen, welch große Leistung auch die unsichtbaren Dinge am Leben tragen? Wie wesentlich es ist sein kleines Rädchen einzubringen, wie viel das kleine Rädchen trägt und wie wichtig es ist Gemeinsames zu bauen? Gemeinschaft zu verwirklichen, Teilen zu können und Teilen zu leben?
Wir wollen Star sein, es geht nicht mehr nur darum ein Kunstwerk, eine heraus ragende Leistung zu verwirklichen und zu schaffen.
Alle Kultur beruht auf Beziehung.
Die Fähigkeit Entscheidungen treffen zu können macht frei.
Die Fähigkeit mit sich selbst fertig werden zu können, umgehen zu können, macht frei. Nicht bedrohbar sein macht frei.
Freiheit entsteht durch Selbstbewusstsein.
Der Mensch kann frei sein, wenn er an sich glaubt.
Ebenso ist das Wichtigste den Menschen zu lehren sich selbst Versorgen zu können, für sich selbst Sorgen zu können, Selbstständigkeit macht glücklich, unabhängig und eben frei.
Herr Dr. Bueb beschreibt Freiheit, als die Frucht von langwierigen Perioden der Selbstüberwindung, der mühsamen Umwandlung von Disziplin in Selbstdiziplin.
Das klingt für mich nach Behandlung von Kranken, das heißt, wenn ich meine Sucht im Griff habe, bin ich frei, kann sie nicht über mich herrschen. Was bedeutet das aber innerhalb der Erziehung ausgehend von einer gesunden Basis?
Weiter hin lobt Herr Dr. Bueb das Einführen von Privilegien(S.89). Er spricht von einem „menschlichen Bedürfnis nach Hierarchie“, was sicher vorhanden ist. Aus meiner Sicht aber kein zu fördernder Punkt, um den man sich verstärkt kümmern sollte. Es setzt eine Ordnung und entlässt in gewisser Weise immer aus eigenverantwortlichem Denken.
Die Einteilungen der Welt nach oben und unten haben eher Schwierigkeiten gebracht als Friedlichkeiten und Toleranz.
Es fragt sich auch, ob die menschliche Natur durch ein „über- die- anderen- gestellt- sein“ nicht eher überfordert ist; in den meisten Fällen es auch nicht leisten kann. Wichtiger und schwieriger ist das Erlernen einer gegenseitigen Achtung und Toleranz. Am schwierigsten scheint mir das Erlernen einer gesunden Demut, und das sollte im Vordergrund behandelt werden.
Später spricht Herr Dr. Bueb, (S166, 167) über die Arbeit und Kultur. Seine Sicht des Menschen ist für mich sehr fragwürdig und widerspricht meiner Erfahrung im Umgang mit Kindern und deren Begabungen. Er schreibt, der Erzieher müsse das Kind früh an Arbeit gewöhnen, Tiere seien instinktiv fleißig, der Mensch sei auch fleißig, allerdings nur dann, wenn es ausschließlich ums schiere Überleben ginge. Ich sehe das nicht so, und denke sofort wieder, dass die Beschreibung der Kinder in Bezug auf Arbeit falsch ist. Kinder arbeiten eigentlich immer und am liebsten. Sie tun am liebsten wichtige Dinge, wollen teilnehmen am Bau der Kultur und je mehr sie empfinden das zu tun, umso glücklicher und fleißiger sind sie. Wir sind es, die ihre Arbeitshaltung unterbrechen aus vielerlei Gründen.
Ein wichtiger Punkt ist, dass Kinder nicht gern allein arbeiten, sie arbeiten am liebsten in Näheverhältnissen und Kommunikation. Man beobachte Kinder, wenn sie nicht schlafen können, erschöpft oder krank sind, sind sie tätig. Mich hat es sehr fasziniert zu sehen, wie ein Kind sich vornimmt hüpfen zu lernen, gegen die Schwerkraft sich aufmacht mit dem kleinen Körper. Mit welcher Ausdauer, Geduld, und sagen wir es doch, angeborenen Disziplin es daran bleibt, arbeitet. Denken wir auch ans Laufen lernen, ans Schuhe zu binden… haben Sie gesehen mit welcher Freude und Konzentration sich ein Kind diesen Dingen widmet, mit welcher Stetigkeit und Geduld? Kleine Kinder arbeiten ununterbrochen! Wir sind in vielen Fällen diejenigen, die keinen Platz, keine Zeit, keinen Nerv haben sie arbeiten zu lassen. Wir entmutigen diese kleinen Arbeiter mehr als uns bewusst ist.
Wir zwingen sie auch zum Allein-Tun. Wir lehren sie eines Wertes: des Allein-Arbeitens. Später zum Beispiel, beim Erlernen eines Instrumentes ist meistens nicht der Punkt, dass Kinder lernen müssen bei der Sache zu bleiben und sich ihr täglich zu widmen. Der auslösende Punkt und die Schwierigkeit liegen ganz woanders. Es ist das Fertig werden mit der Enttäuschung, dass man es noch nicht kann, dass man es nicht annähernd so umsetzen kann, wie man es sich vorstellt, wie man es eigentlich weiß.
Gerade begabte Kinder schmeißen aus diesem Grund manche Dinge eher hin, sie ertragen das Bruchstückhafte, die Unfähigkeit darin, schwerer. Sie brauchen Trost, sie müssen lernen sich selbst zu trösten und sich in Hoffnung ihrem Ziel in Geduld näher zu bringen und zu üben. Man muss schaffen ihnen die Erfahrung zu vermitteln, dass sie es schaffen können. Sie müssen vertrauen können, dass sie damit sich ihrem Ziel nähern. Oft tritt kurz vor dem Gelingen vor der Fertigstellung eines Werkes ein Zustand der Depression ein, als hätte man das Ganze verloren, als würde es nichts werden. Diese Phase gilt es durch Durchhalten und stupides Dranbleiben zu überbrücken, meistens tritt dann urplötzlich das Gelingen, das Fertigstellen oder der Sprung in eine Höhere Ebene ein.
Diese Erfahrungen müssen Kinder erst noch machen und der Lehrer muss sie dahin und dadurch führen.
Was ist mit der Fantasie Begabung des Menschen, diese wird hier auch im Zusammenhang mit der Kultur nicht erwähnt. Auf Seite 166 steht, „Die Bestimmung des Menschen lautet aber, Kultur zu schaffen. “. Aber ist nicht gerade das Bedürfnis des Menschen über sich hinauszuwachsen der Grundstein des Kulturbauens, ist nicht die Fantasie, die ursächliche Antriebskraft, und auch das Bedürfnis etwas weiterzugeben und zu hinterlassen und mit Hilfe der Kultur die Endlichkeit von Zeit zu brechen? Ist es nicht also die Fantasie, die auch gerade im Umgang mit jungen Menschen im Zusammenhang von Arbeit und Kultur besonders erwähnt werden müsste? Müsste nicht gerade darauf hingewiesen sie zu beachten, zu fördern und zu beflügeln?
„Als Vorbereitung auf das Arbeiten muss ein Kind verzichten lernen. Verzicht auf ….alles was Spaß macht, das ist die Vorraussetzung von Arbeit „ lese ich. Welche furchtbare Aussage, denke ich zunächst, ich denke an die Ärzte im OP, an die Lokführer, an lauter Menschen im Arbeitsleben, so kann es nicht sein und wenn es so wäre, dann wäre es furchtbar und ginge am Menschen vorbei. Ob er dann überhaupt noch Kultur schaffen würde? Die beste Vorbereitung meiner Meinung nach auf Arbeit ist die Freude am Tun. Da der Mensch von Natur aus neugierig und Fantasie begabt ist, ist er im gesunden Zustand gerne tätig. Da er nicht alles gleichzeitig kann, muss er auf Grund von Entscheidungen zu Gunsten einer Sache auf eine andere verzichten. Diesen Vorgang muss man sicherlich üben, aber es ist nicht das Lernen in erste Linie auf etwas zu verzichten, sondern es heißt Gewichtungen setzen und dem jeweilig vordringlicher bewerteten den Vorrang geben zu können. Auch ist eine große Herausforderung für die Menschen, die jeweilige Arbeit und die jeweilige Arbeitshaltung zu beurteilen und zu bewerten. Ich stelle mir vor, wenn man sich nun entscheiden würde, dass die Arbeitshaltung z.B. einer Ameise, die einzig wahre wäre und der in der Sonne schlummernde Löwe ein Fehler, was für eine Welt würde entstehen? Plötzlich frage ich mich auch, wem dienen wir eigentlich, wem wollen wir eigentlich dienen der Wirtschaft, oder der Kultur? Dem Menschenwürdigen, dem Frieden ? Für wen eigentlich brauchen wir diese Haltung, die Herr Dr. Bueb mit dem Zitat auf Seite 166 beschreibt, „Der große Soziologe Max Weber hat daher eine Trias von Tugenden als Grundlage unserer Kultur und Wirtschaft erkannt: Verzicht, Arbeit und rationale Lebensführung.“ ? Und ist diese Erkenntnis wirklich richtig? Vor meine Augen steigen die Bilder trauriger Gesichter auf. Ich sehe gelangweilte, müde, abgearbeitete, gebeugte Menschen, von Eile getrieben durch die Städte ziehen. So viele verlassene, von Krankheiten und Süchten geplagte Menschen, unfähig ihre Kinder zu lieben zu fördern, unfähig mitzuhalten im rasenden Kampf ums Geld. Ich höre die missgünstigen Worte, von Neid zerfressenen Sätze, und sehe wie die Mitleidensfähigkeit und Güte allmählich ganz verschwindet. Kann es also richtig sein ? Ich höre die Verbrechensmeldungen in den Nachrichten, Berichte von Krieg und Umweltzerstörung. Sind wir wirklich auf dem richtigen Weg mit diesen angeblichen Tugenden im Vordergrund?
Herr Dr. Bueb schreibt: S.167 „Ziel der Erziehung zum Arbeiten muss ein Grad der Gewöhnung sein, die Arbeit zur zweiten Natur werden lässt. Was der Natur des Menschen zu widersprechen scheint, muss ihr gemäß werden.“ Widerspricht Arbeit wirklich der Natur des Menschen? In Wirklichkeit leiden wir doch, wenn wir keine Arbeit haben und das nicht wegen dem Geld, sondern wegen dem Sinnvoll-tätig-sein-wollen und auch dem Uns-selbst-entwickeln und Erfahren-können in einer Arbeit. Liegt es daran, dass wir zwanghaft nur für Geld Dinge tun müssen, die wir nicht mögen oder können? Eine Art Prostituierungshaltung, die wir einnehmen müssen ? Und darum kommen wir zu der verqueren Haltung, die zu beneiden, die keine Arbeit haben, die arbeitslos sich in einem benachteiligten, zu bemitleidenden schweren Zustand befinden? Herrn Dr. Buebs, Ansatzpunkt hört sich für mich an, wie aus dem Mund eines unglücklich Arbeitenden gesprochen. Eines Menschen, der an sich keine Freude an der Arbeit hat. Meiner Meinung nach ist es die Natur des Menschen gern, oder sogar am liebsten, zu arbeiten. Das heißt sich sinnvoll und erfolgreich und nützlich am Weltgeschehen, am Bau der Kultur, am menschlichen Leben, zu beteiligen.
Ein Problem ist Arbeit in Bezug auf Dinge, die man nicht versteht, die einem nicht sinnvoll erscheinen, und die ihre Arbeitsbezeichnung nur durch die dafür geleistete Gabe von Geld verstehen. Es ist dann eine entfremdete Arbeit.
Ziel der Erziehung muss sein die gesunde Arbeitshaltung des Kindes zu fördern, zu bestätigen, und auf jeden Fall wenigstens zu erhalten. Und eine Arbeit zu finden, in der der Mensch sich nicht entfremdet und prostituiert. Übrigens was man kann, tut man gern.
Ziel der Erziehung muss zunächst sein Kindern das Arbeiten nicht abzugewöhnen. Ihnen in Geduld den Umgang mit größeren Zeiträumen, Zeitspannen zu lehren und ihnen Disziplin als ein Hoffnungsmittel für lange Zeiten und zur Überbrückung der mühseligen Durststrecken und der Zeiten des scheinbaren Stagnierens zu zeigen.
Das stumpfsinnige krampfhafte Arbeitenmüssen als tugendhafte Haltung führt die Menschheit eher ins Unglück.
Der Mensch ist, im gesunden Zustand neugierig und schaffend. Leidet er wirklich unter Arbeit, so ist er in seiner Arbeit in irgendeiner Weise nicht bei sich und/oder die Arbeit ist für ihn oder für Menschen im Allgemeinen unzumutbar. Auch ist es doch so, dass Sportler oder erfolgreiche Menschen sehr gerne trainieren. Natürlich gibt es auch Ablenkungen und Gleichzeitigkeiten von verschiedenen Wichtigkeiten und Phasen von Unlust. Die Erziehung muss den Kindern helfen ihre Orientierung zu behalten und ihre Ziele und Begabungen zu verteidigen und gegen anderes zu beschützen. Das kann in einer Unterstützung z. B. in dem täglichen Einhalten des Übens sein.
Der Erzieher kann es sich selbst nicht leisten wenig Interesse für die Dinge zu zeigen, die das Kind lernen muss, soll und will. Auch das erzwungene alleine Üben ist meiner Meinung nach dem kindlichen Gemüt und der kindlichen Seele nicht angemessen. Es will sein Interesse teilen und es braucht Nähe, so lernt es sich manchmal leichter in der schäppernden Waschküche oder im Büro bei den anderen tätig seienden. Arbeit ist etwas, was auch in Beziehung zu sich und zu der Welt getan wird.
Gerade bei der Arbeit geht es um Beziehung bauen zu etwas, zu Wissen zur Welt usw. Kultur beruht auf Beziehung und Kultur trägt Beziehungen; traditionalisiert diese.
Wir verwechseln heute oft Spaß mit Freude. Eine Begabung haben ist ein kostbares Gut, wobei leben, Mensch sein, schon als eine Begabung zu verstehen ist, und etwas Anvertrautes, wofür wir die Verantwortung tragen.
Die Erwachsenen müssen den Kindern dabei helfen und nicht aus der Sicht, dass sie naturgegeben faul wären, sondern aus dem Respekt vor der Begabung und vor der Aufgabe damit zu leben, sie zu behüten und zur Erfüllung zu bringen – sie zu verwirklichen. Auf diesem Weg braucht man viel Mut, Kraft und vielerlei Tricks. Einer ist bestimmt Disziplin und Trost. Das ist ein komplett anderer Ansatzpunkt und hat Auswirkungen auf alle Tricks. Gerade der Mensch hat doch den Wunsch über die reine Existenzerhaltung hinaus tätig, arbeitend zu sein.
Glück ist nicht ausschließlich an Leistung gebunden. Glück ist auch das Vertiefen in ein Geheimnis. Herr Dr. Bueb berichtet in seinem Buch auch mehrfach über Schüler, die eine erfolgreiche musikalische Laufbahn einschlugen. Bei diesen Beispielen fehlt mir eine Seite. Er beschreibt auch hier die harte Arbeit und den Einsatz von Disziplin als wichtigstes Moment, dass aber die Musik und das Instrumentspielen die Schülerin auf eine andere Ebene hebt, fehlt. Dass ihr eine andere Welt eröffnet wird, eine weitere Sprache der Kommunikation und des Wahrnehmens zu Verfügung gestellt wird, die ihren Horizont erweitert, ihre Fähigkeiten und Ausdrucksmöglichkeiten verfeinert, kommt nicht zum Ausdruck. Dass sie eine Sprache ihrer Seele erlernt und sich dieser bemächtigen kann. Auch werden alle Sinne beim Spiel eines Instrumentes einbezogen und können sich entfalten. Die Schülerin kann aktiv mit ihrem eigenen Wesen Kultur weiter beleben und neu schaffen „Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, und Aufgaben zu vergeben, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem endlosen weiten Meer.“ sagt Antoine de Saint-Exupery. Es gibt wohl kaum eine stärker antreibende Kraft als die Sehnsucht. Wenn wir es nur schaffen in unseren Kindern die Sehnsucht zu wecken, so werden sie Dinge vollbringen, die wir nicht zu träumen wagen.
Das hier im Buch beschriebene Glück ist sehr auf Anerkennung und Applaus ausgerichtet, daran krankt unsere profilsüchtige Gesellschaft aber geradezu. Und was passiert, wenn die Anerkennung von Außen weg bricht? Wie viele erfolgreiche Musiker erkranken oder geben ihr Instrument plötzlich auf, weil sie nur mit leerer Disziplin gearbeitet haben? Anstatt dass sie sich selbst näher gekommen sind, haben sie sich, während dem blinden Streben, verloren und können sich nur durch ausgehöhlte Leistung und durch Anerkennung definieren und erkennen. Das Glück ruht in der Sache selbst und ist ein Geschenk, eine vollzogene Umsetzung. Glücksgefühle entstehen in erfolgreichen Bezogenheiten.
Glück empfinden wir, wenn wir anerkannt und geachtet werden und uns etwas sehr gut gelingt!. Was aber bewerten wir unter welchen Bedingungen als anzuerkennen und gut? Wir vergeben Anerkennung besonders gern in Bezug auf Leistung und Schönheit. Wir bewerten die Leistung von Dasein für etwas, jemand, gering. Wir sehen es an den schlecht bezahlten sozialen Berufen.

Herr Dr. Bueb erwähnt in seinem Buch Fernseher gehörten nicht in die Kindheit. Der Umgang mit dem Fernseher in der Kindheit ist schwierig und ungesund. Ich halte den Fernseher für kein kleinkindgemäßes Medium. Aber die Fernseher sind auch nicht da, weil sie gut sind, sondern weil wir die kindliche Arbeit nicht so gut ertragen und selbst zu bequem für unsere Kinder sind. Kuchenbacken mit Kindern macht Dreck, der Haushalt, die Nachbarn, was soll man denken, der tägliche Waldausflug zieht Berge von Wäsche hinter sich her. Abgesehen davon, dass es Stress ist zwischen genervten Menschen mit der Bahn in den Wald zu fahren, um dort zu spielen und dann dreckig zurückzufahren. Außerdem kann man nichts nebenbei erledigen… Keine Gemeinschaft nachbarschaftlicher Art nimmt etwas ab, man fällt sich in den Rücken im Kampf um einen Platz in einer auf Geld fixierten Gemeinschaft…Das war die Eintrittstür des Fernsehers.
Das Schwierige für Kinder und Menschen im Umgang mit Fernsehen ist die Untätigkeit zu der sie gezwungen werden. Das kann zur Entspannung vielleicht manchmal hilfreich sein oder zur Ablenkung nach heftig konzentrierter, geforderter Arbeit oder eine schnelle Einschlafhilfe sein. Insgesamt und vor allem für Kinder ist die Untätigkeit eine Gefahr, der Körper ist zur Ruhe gezwungen, der im kindlichen Alter im Wachzustand fast immer Bewegung irgendeiner Art wünscht. Die Fantasie wird untätig – geradezu gegensätzlich zu dem, was beim Lesen passiert oder beim Zuhören, wenn vorgelesen wird. Der zeitliche Ablauf des Gesehenen ist so schnell, dass ein Denken, das verstehen will und folgen, ausgeschaltet wird. Außerdem verflüchtigt sich das gesunde Zeitwahrnehmen.
Sehr kleine Kinder wünschen von sich aus gar nicht fernzusehen. Kleine Kinder haben Interesse an Nähe, an Beziehung, an Bindung, an Zuwendung, viel Zuwendung. Warum bringen sie soviel Zeit vor dem Fernseher zu? Weil unsere Gemeinschaft depressiv ist, wir machen eilend nichts anderes als weiter. Fernsehen ist eine betäubende Ablenkung. Und ich muss mich dabei nicht wirklich mit einem Du befassen.
Die Konkurrenz und der Gesellschaftskampf außen gehen bis in die Sportvereine, die billigste Möglichkeit noch seinen Kindern etwas zu bieten. Ansonsten, gibt es, außer dass wir uns mit Krafteinsatz und Fantasie zuwenden, keine kostenlosen Sachen. Gerade diese Zuwendung aber ist entscheidend, denn das Gespräch, das Zusammentun ist eine Erfahrung von Liebe.

Wir leben jetzt in einer Zeit, in der wir dazu verführt werden alles in Massen zu sehen, uns in Massen zu fügen, Massentrends zu folgen, Massenmedien zu lauschen, Massenproduktionen, Massenveranstaltungen. Die Masse läuft mit. Und zum anderen grenzen wir die jeweiligen Massen streng von einander ab, möglichst keine Berührung. Ebenso auch keine Verbindung. Eine einmal eingenommene Massenseite ist fast unmöglich zu wechseln. Die Masse hat eine berauschende Wirkung auf uns, der Mensch in der Herde. Manchmal bekommt man Sorge, ob es gut gehen kann mit diesen strömenden Massen, die eine Eigenmotorik entwickeln und jedes individuell bewusste Antworten, Tragen, Durchdenken, unmöglich machen. Und das Ganze wird auch noch geleitet und benutzt von großen wirtschaftlichen Geldgeschäften. Hilflos und dumm eilt der Einzelne verloren mit und in der Masse wird es nicht schwer sein diese Herdentriebkraft auf die seltsamsten und schlimmsten Wege zu leiten. Es ist eine dringende Aufgabe für den Menschen das Bewusstsein zu erlangen für sich selbst und für den Planeten Verantwortung tragen zu können, er muss antworten und auch ein Nichtantworten ist Antwort. Es ist das allerwichtigste ein eigenständiges Individuum zu werden, ein Mensch, der sich annehmen kann und in seine Umwelt einbringen kann. Je mehr ein Mensch dies kann, umso friedlicher wird das Zusammenleben sein können und umso humorvoller und interessanter. Der eigene Frust muss nicht wahllos über den Anderen oder in die Umwelt gekippt werden. Sich blind und brav und diszipliniert in eine Masse zu fügen ist sicherlich bequemer für diejenigen die eigene, meistens eigennützige und gefährliche Pläne umsetzen wollen, aber es kann kein Ziel für Erziehung sein.

In Erziehungsfragen halte ich auch das Anpreisen von Privilegien für ein – wenn überhaupt – äußerst nebensächliches Mittel, die Tatsache, dass ein Schüler sich für die Gemeinschaft einsetzt und einsetzen kann, ist schon Belohnung. Unter Umständen braucht er für den Mehreinsatz mehr Mittel oder mehr Pausen oder irgendwelche anderen Umstände, so seien sie ihm gegeben und die Gemeinschaft sollte ihm Anerkennung und Dank erweisen, aber dieses erzwungene hierarchische Ordnen, in Oben und Unten, ist wenig anstrebenswert und für den Menschen eher gefährlich, sowohl für den Obenstehenden, wie für den Untenstehenden. (S.89)
Besonders furchtbar finde ich die Erziehung zum Denunziantentum, was auf jeden Fall mit Petzen und Verpfeifen beginnt, und ein grundsätzlich falscher Weg ist miteinander umzugehen. (S.87) Dr. Bueb separiert die Menschen und erzieht sie in Kombination mit Privilegien zu Spitzeln. Das Bewusstsein sollte sowieso weg von dem ewigen Auf- den- Anderen- Schauen, was hat er, was hat er nicht, dieser ständige krankmachende Vergleich, die Erziehung zur Neidgesellschaft. Neid ist Unwissenheit. Unsere Kinder in der Schule dadurch in den Griff bekommen zu wollen, dass sie sich gegenseitig verpetzen, ist eine widerliche Verweigerung unsere eigene Aufgabe zu übernehmen und uns dem Abenteuer Leben zu stellen. Wenn sie nicht rauchen sollen, so nützt es gar nichts, dass wir sie deshalb erwischen, weil jemand sie verpetzt hat. Eigentlich hat das nur eine Folge, dass wir die Gemeinschaft der zu Erziehenden brechen und sie gegeneinander aufhetzen, und sie gegen einander misstrauisch und ungleichwertig zu machen. Das ist nicht unser Recht. Es ist ihr Recht eine Gemeinschaft zu sein, der wir, als Erzieher entwachsen sind und die wir nicht spalten dürfen und die wir als solche achten und anerkennen müssen. Diese gilt es zu stärken. Sie sollten lernen, sich in dieser Gemeinschaft zu verbünden, zu schützen und gegenseitig zu stärken, und in keinem Fall sich gegenseitig zu verpetzen. Die Arbeit des Erziehens sollten sie dem Erzieher überlassen und er darf ihre gegenseitige Nähe nicht für seine Zwecke nutzen und zur Entlastung seiner Arbeitsaufgabe missbrauchen. Er muss den Regelübertreter schon selbst erwischen und sich damit auseinandersetzen.
Sehr fraglich ist für mich der Einsatz von Macht in der Erziehung und im Kinder-Eltern Verhältnis. Das Wort Macht birgt mehr Gefahr, als dass es Gutes und vor allem Wichtiges bringen könnte. Selbstverständlich ist der kleine Mensch, der Säugling, das Kind uns komplett ausgeliefert. Wir müssen das allerdings dem Kind nicht beibringen, das weiß es, erlebt es, das ist die Natur der Sache, die ihm auf das ursächlichste spürbar ist. Wir können ihm Türen in die Zukunft öffnen und in dieser Weise an der zukünftigen Geschichte bauen. Es ist meiner Meinung nach ein Irrsinn zu glauben ein Säugling wolle über uns Macht erlangen. Er sucht schlichtweg und einzig einen Weg zu überleben, und kann zunächst nur über Laute seine Bedürfnisse äußern. Was ist eigentlich an der Erfahrung so schlecht, wenn der Säugling erfährt: “wenn ich ein Problem habe Angst, Einsamkeit, Kälte, Hunger, Durst, Bauchweh, Müdigkeit, oder irgendetwas anderes kommt jemand, erhalte ich Nähe, erhalte ich Hilfe Resonanz, Antwort? Es ist eine für mich nicht tragbare Meinung, Kinder kämen als Barbaren auf die Welt, übten eine Tyrannei aus. (S.55/56) und die Eltern müssten ihre rechtmäßige Macht dagegen behaupten. Ebenso halte ich es für eine unglaublich schlimme Falschaussage, Kinder seien von Natur aus träge und Egoisten, und die Erziehung solle ihnen zur Überwindung ihres Egoismus und ihrer Trägheit verhelfen (S. 96).
Kinder sind gleichwertige Menschen von Anfang an. Sie sind einem anvertraut. Sie sind von Anfang an Individuen, mit einem einzigartigen Leben und Lebensweg und einer einzigartigen Chance. Es ist unsere Chance, uns ihnen zuzuwenden in Fürsorge und Achtung. Nehmen wir unsere Aufgabe war, so glaube ich, werden wir überrascht sein, wie wenig Egoismus und Trägheit uns begegnen werden und welche große, wache Zuwendung und Achtung uns plötzlich zu teil wird.

Die Kunst der Erziehung (S. 13) ist uns nicht verloren gegangen, wir müssen die Kunst der Erziehung erst entdecken! Wir können aus allen Erziehungen der Geschichte lernen und aus den Erfahrungen Schlüsse ziehen, aber es kann nicht gut sein vergangene Erziehungsweisen wieder aufzunehmen, wir müssen weiterüben, die Menschlichkeit zu erkennen und an einer friedlichen, segensreichen Zukunft zu bauen. Eine Erziehung dorthin haben wir noch nicht gefunden. Glücklicherweise haben wir schon viel über den Menschen gelernt und es sind weltweite Kinderrechte entstanden. Der Mensch ist ein zerbrechliches Wesen und am Anfang seines Lebens am meisten. Seine Erziehung nur in die Nähe von Dressur zu bringen ist eine große Unterschätzung des kindlichen Menschen. (S.27)
Wir müssen zu unserer Geschichte stehen, uns darin erkennen und befreien und den Mut aufbringen zu einer neuen Zukunft und dürfen unsere Kinder nicht zurückziehen aufgrund unserer eigenen Verletzungen, unserer eigenen Unwissenheit und Schwäche. Wir müssen lernen mit unglaublich vielen Unsicherheiten zu leben und trotzdem Verantwortung übernehmen, uns bekennen und an etwas Neuem bauen. Es macht Spaß zu arbeiten, zu dienen, das Leben mit Energie zu füllen, es macht Spaß Verantwortung zu tragen, etwas Sinnvolles zu tun, an wichtigen Dingen mitzuwirken. Es macht keinen Spaß einsam Macht auszuüben, zu unterdrücken, unterdrückt zu werden, nichts tun zu können, nicht mitwirken zu können, keine Verantwortung übernehmen zu dürfen.
Im Ganzen frage ich mich auch mit welcher absoluten Sicherheit sich eine gewaltige Menge der Erwachsenen in einer gottnäheren Position sehen, einer auf jeden Fall Gott näheren als die Kinder, und von da aus überlegen, meinen, richten und strafen und züchtigen zu können?
Es ist doch erschütternd für mich zu sehen, dass solch ein Buch soviel Erfolg hat, ein Buch das mit allem behauptet Kinder seien Egoisten voller Trägheit, „Barbaren“ Laut einem Zitat von Freud, und das in einem Jahrhundert, indem wir uns doch freuen können, dass es Rechte der Kinder gibt, dass Kinder ernst genommen werden sollten. Kinder sind vollwertige Menschen! Es sind Individuen, die sich entwickeln wollen, und zunächst mit einer großen physischen Hilflosigkeit und Abhängigkeit ausgestattet sind und somit angewiesen sind auf Schutz und Fürsorge und Ernährung. Die gesunde Natur des Menschen ist auf Fortentwicklung ausgerüstet. Er erhebt sich um auf 2 Beinen aufrecht zu gehen und das ist ihm Freude. Er ist neugierig und Fantasie begabt und in fortwährender Entwicklung.
Gerade Astrid Lindgren hat mit ihren großartigen Büchern auch das Bewusstsein über Kinder weltweit vorangebracht. Abgesehen davon, dass sie viele, viele Kinder, Herzen und Gemüter zutiefst bewegt mit ihrer feinfühligen, klaren und näher bringenden Art, dem tiefen Verständnis für Kinder und Erwachsene, dem weisen Wissen über das Leben bereichert und erfreut. Oft habe ich gedacht, ihre Bücher sollten von allen Erziehern unbedingt gelesen werden, in ihrer tiefsinnigen Art kann man sehr viel über Erziehung und den Umgang und das Miteinander mit Kindern lernen, auch den Umgang mit schweren Krisensituationen. In allen Büchern auf jeden Fall wird allen Menschen individuelle Anerkennung und Wert zugeteilt, und der Leser empfindet Achtung für alle Personen. Ebenso rettet sie die lesenden Kinder in eine Welt, in der sie die ihnen im Leben vielleicht nicht entgegengebrachte Anerkennung erhalten und in der sie ein eigenes anerkanntes Individuum sein können, worauf sie eigentlich auch im Leben ein Recht hätten. Meistens, sowie auch im Buch von Herrn Dr. Bueb, wird Pippi Langstrumpf erwähnt, weil sie die bürgerlich spießige Welt in gewisser Weise in Frage stellt und auf festgefahrene Strukturen hinweist. Ich weiß aber gar nicht, ob das nicht nur das Wesentliche für die erwachsenen Leser ist und der kindliche Leser viel mehr Freude an der Individualität hat, an der Erlaubnis Fragen zu stellen, infrage zu stellen. Vielen Kindern ist es vielleicht gar nicht wichtig, sie finden es sogar blöd, dass Pippi sich in manchen Situationen nicht benehmen kann, aber gerade dadurch lernen sie die Wachheit des eigenen Lebens und die Unterscheidungsfähigkeit, was für sie richtig ist und was nicht. Pippi Langstrumpf tut bei aller Auflehnung, Infragestellung der Gesellschaft, bei allem Nicht-gehorchen nichts Böses, niemand etwas zu leide im Gegenteil, sie hilft retten, tröstet, sie trägt Verantwortung für ein Haus, ein Pferd, einen Affen und ihren Alltag und ihr Leben, sie zeigt, dass es ist nicht so einfach ist, dass man allein durch Gehorsamkeit noch kein guter Mensch ist.
Es kommt bei der Bewertung von Dingen immer auf das richtige Maß an. So sind auch Gesetze immer wieder neu zu betrachten und an eine Sinnhaftigkeit gebunden. Es kann sinnvoll sein in Bausch und Bogen etwas zu verbieten, wenn der Zeitgeist, die Situation es verlangen, wenn im Interesse einzelner Maßlosgewordener ganze Massen abhängig gemacht werden. Zu einer anderen Zeit oder Situation kann es sinnvoll sein, auf eine ganz andere Weise damit umzugehen. In dieser Weise sind uralte Gesetze und Bräuche auch zu betrachten und immer wieder zu hinterfragen. Die ständige Fortentwicklung des Lebens zwingt jede Zeit den Sinnzusammenhang vorhandener Gesetze zu überprüfen und neu zu erringen. Für den Menschen ist es vielleicht schwierig, dass die meisten Gesetze, eingeschlagenen Wege nicht unendlich sinngefüllt sind, dass es vielleicht keine allgemein-immer-gültige Wahrheit geben kann, sondern dass es immer wieder gilt, neue zu erringen. Der Mensch ist sich selbst ausgeliefert in gewisser Weise und er kann sein Leben annehmen und immer weiterentwickeln. Die Kinder sind eine tiefe Begegnungsmöglichkeit

Der Mensch in seiner Existenz hat von Anfang an mit Grenzen zu tun und Maßeinheiten, die Körperlichkeit an sich und die Zeit, Er erkennt sich innerhalb dieser Begrenzung, die erste ist seine Leiblichkeit. Seine Lebensumstände sind Raum und Zeit und Gewicht, er entdeckt sich innerhalb dieser Grenzen, braucht sie sozusagen. Er muss lernen mit Maßeinheiten umzugehen.
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Das Fanatische ist das krampfhafte, krankhafte Festhalten an alten Strukturen, vielleicht einstmals sinnvollen Strukturen, aus Angst vor dem Fluss des Lebens.
Ein bisschen scheint mir dieses Buch, “Lob der Disziplin“, getrieben von der Angst vor dem Neuen, aber es ist nicht der Weg es mit vergangenen Verhärtungen in den Griff zu bekommen.

Fazit / Ende
Der Zug hält. Heute steige ich am Hauptbahnhof aus. Ich liebe das große Bahnhofsgebäude, die Architektur, die vielen Züge, die in alle Himmelsrichtungen fahren, die vielen Sprachen, das aufregende Hin und her der Menschen, die vielen Emotionen, die hier durcheinander strömen. Helles Licht fällt durch die gläserne Kuppel auf die vielen Gleise. Ich laufe in Richtung Innenstadt nach Hause. Wie liebe ich die große Stadt, mit ihrer Bewegung, ihrer Vielfältigkeit, Offenheit und Wandelbarkeit, ihren verschiedenen Gesichtern. Viel Einzelnes verfließt in der Menge zu einem großen Grundklang. Und mitten darin dennoch ein Ich, ein individueller Ton.
Wir brauchen wieder Mut zu lieben.
Mut zu versuchen ohne zu wissen, dass es klappt.
Mut ins Ungewisse.
Mut zur Güte,
Mut uns zu Kümmern.
Mut an uns und an das Leben zu glauben.
Wir brauchen Mut für jemanden da zu sein über unsere kleine Beschränktheit und Sicht hinaus.
Mut auch zu sagen, ich bin Deine Mutter, Dein Vater, Dein Partner, Dein Freund und es auch zu sein und zu versuchen, es ein Leben lang zu bleiben.
Mut zu sagen, ich will versuchen bedingungslos und immer für dich dazu sein.
Mut zu leben.
Aber eines ist nicht richtig, wir brauchen keinen Mut zur Disziplin!
Schritt für Schritt laufe ich durch die Straßen und denke, Disziplin ist eine Folge. Beziehung ist ein Weg. Es ist so leicht sich hinter Disziplin und Maß zu verstecken als Erzieher, anstatt die Arbeit des Ernstnehmens, des Vorlebens, des Dazustehens auf sich zu nehmen.
Wir sollen unsere Kinder nicht erziehen. Wir sollten versuchen, sie nicht zu verlassen. Uns ihnen zu zeigen, zu zeigen, wer wir sind. Uns ihren Fragen und der Ungewissheit stellen.
Disziplin und Erziehung ohne Beziehungsfähigkeit ist das Gefährlichste und Kälteste, was sich denken lässt.
Unsere Gesellschaft krankt an Beziehungsunfähigkeit und gerade vielleicht die Generation, zu der auch Herr Dr. Bueb gehört, war nicht bereit, Arbeit, Glauben und Hoffnung in Beziehung zu stärken.
Sollte Erziehung vielleicht besser heißen: Beziehung finden, erkennen, beziehen lernen; Beziehung zu sich, zur Welt, zu anderen, Beziehungen der Dinge/Menschen zueinander.
In diesem Sinne haben wir unsere Kinder verlassen.
Wir haben uns auf Erfolg konzentriert und schnelle Anerkennung.
Brauchen wir nicht viel mehr den Mut zum Humanen, den Mut zu glauben, dass das höchste Gut der Mensch sei? Dass das wirklich Menschliche wertvoll ist?
Dass es das höchste Ziel sein muss, humane Menschen zu werden, die friedensfähig, tolerant sind, die für sich selbst Verantwortung übernehmen können und zu sich stehen, die Konflikte friedlich und voller Anerkennung austragen können. Braucht das nicht unsere Welt?
Ist es nicht geradezu bequem, sich wieder hinter Regeln zu verstecken??
Unsere Achtung gilt in diesem Land nicht den Kindern, sie sind zum größten Teil zur Anschaffung geworden. Anschaffungen müssen sinnvoll in den Kram passen, sie sollen kein Eigenleben haben, Kinder sind aber Eigenleben.
Es ist gut, dass wir das Kinderbekommen beeinflussen können, steuern können, dass sie möglichst in keine Notsituation hineingeboren werden. Dass wir versuchen ihnen eine gefestigte Liebesbeziehung als Eltern zu bieten; aber daraus darf nicht folgen, dass wir sie als Anschaffung sehen. Damit werden wir ihnen in keinster Weise gerecht.
Ich laufe am Markt vorbei, an Museen und Konzerthallen, den Kirchen und denke, wenn man in der heutigen Zeit einmal aus den gesellschaftlichen Kreisen heraus fällt,
ist man immer draußen. Es ist sehr schwer, eine einmal eingeschlagene Bahn wieder zu ändern. Geht man einmal nicht mit, passt man einmal nicht hinein oder erdreistet sich eine andere Entscheidung für sich zu fällen, muss man von da ab alles allein machen. Wir müssen in einem Kreislauf bleiben, wenn wir uns nicht zutrauen, vereinsamt alles allein zu machen.
Die Menschen vor mir eilen an den Schaufenstern vorbei und ich denke an die Weihnachtszeit. Man könnte seinem Kind ein Patenkind in einem SOS Kinderdorf schenken, einen Brieffreund, einen Auftrag etwas zu tun.
Aber wir belächeln es, wir sagen: „Ach wie idealistisch, das hilft doch nichts…unser Kind muß aus sich was machen und was hat es damit zu tun “.
„Wir müssen sehen, wo wir bleiben, es hilft ja doch nichts!“
Und dann sind es die großen Wirtschaftsstrukturen, die bestimmen und zu einem großen Teil nicht unkriminell und unprofitgierig sind. Überhaupt dieser ewige Profit! Was lehren wir unsere Kinder da eigentlich?: „Ich muss mehr zurückbekommen, als ich gegeben habe, alles vermehren usw.“
Die Frauen, die studiert, gebildet sind, wissen genau, dass die Rechnung nicht aufgeht: Kinder, Familie, Arbeit, Haushalt außer mit Angestellten…sie wissen genau, dass es auf irgendeiner Seite eine Diskrepanz gibt, die alle verleugnen, es geht ja alles und gleichzeitig und ganz leicht, immer schick lächeln. Und darüber hinweg lügen, dass jeder Mensch täglich eben nur 24 Stunden hat.
Unsere Alltagswelt trägt nicht mit an den Kindern, wie wir in Cafés, Läden usw. beobachten können. Man gewinnt manchmal den Eindruck, Kinder seien eine notwendige Last.
Wir finden keinen Weg aus diesem Dilemma, wenn wir mit Macht, und Disziplin durchgreifen. Diese Faktoren werden uns aus den Händen gleiten.
Disziplin und Gehorsam sind wichtige Ausführungsweisen und Instrumente. Aber unser Musikstück fehlt: Das ist das Drama. Wir müssen neue Mühe darauf verwenden, ein neues zu schreiben, denn so gibt es keine Zukunft.
Das Übel liegt in unserer Hoffnungslosigkeit. Deshalb ist es wichtig, Zuversicht, Wichtigkeit, Trost zu vermitteln.
Welche einfache Frau kann in dieser Gesellschaft überhaupt einem Kind etwas bieten wie Freizeitparkbesuche mit Wildwasserfahrten, Wildnis usw…Es gibt kaum etwas außer Spazierengehen. Und wie schon gesagt, Spazierengehen interessant zu machen erfordert eine Menge an Idealismus.
Haben wir nicht Angst an den festen Wegen unserer Wirtschaft und Weltausbeutung zu kratzen? Haben wir nicht Angst, dass gerade unsere Kinder das aufdecken werden? Uns unsere lieblose Haltung der Welt gegenüber spiegeln werden? Würden wir ihnen nicht sonst dies alles sowieso geben, wie Ordnung, Regeln, Behütung, die Achtung vor der Zeit, die wir schon gelebt haben? Haben wir denn noch eine Liebe zu irgendetwas zu vermitteln außer zu unserer Ordnung und Unantastbarkeit? Wir feiern Parties, fahren zu unseren Ferienhäusern, spielen Golf versuchen überall mitzuhalten, und darüber hinaus vergessen wir alles. Lieber gestalten wir die Weihnachtszeit und andere Festlichkeiten nach festgesetzten Regeln, erzwungenem Konsum, als aus der Menge zu fallen. Es wäre unendlich schlimm, gehörten wir nicht zu Jenen, die ein Dach über dem Kopf haben, die gesellschaftlich ihre Stellung erworben haben. Es wäre unausdenkbar schlimm aus diesen festen Strickmustern heraus zu fallen, dafür opfern wir auch unsere Freude und unsere Beziehung zu uns selbst., „Wenn du dich, wenn Du nicht, wenn du nicht, dann …….“ Denke ich an die wohl vertrauten Worte, die einen das eigene Leben immer weiter nach hinten verschieben lassen. Ich gehe am großen Gebäude einer Versicherung vorbei, groß leer und grau macht es sich über ein ganzes Viertel breit.
Ich denke wieder ans Internat. Kinder aus Salem müssen Unternehmen leiten, müssten sie nicht eine zusätzliche Menschenbildung erhalten? Bei dem Einfluss, den sie haben können und wahrnehmen könnten?
Inzwischen bin ich in die kleineren Straßen gelangt, ein Vater betrachtet mit seinem Sohn ein Buch im Schaufenster, sie unterhalten sich vertieft.
Ich glaube Kinder sind sehr gern beteiligt an Wichtigem, aber wir halten sie oft außen vor.
Jedes Kind hat eine andere Zeit, eine andere Uhr, einen anderen Weg.
Wir haben keinen Mut zu Bindungen und kein Vertrauen in Bindungen.
Zivilcourage erhält die Kraft durch tief gelebte Bindung, nicht durch die Erziehung einer Gemeinschaft. Viele Familien und Eltern können es vielleicht zunächst nicht leisten, Bindungen zu geben und über Jahre zu bauen. Aber auch deshalb nicht, weil wir Eltern wenig achten. Es ist ein Leichtes, ein Kind zu verhüten, also auch anzuschaffen, man kann alles überdenken, alles bestimmen, alles kontrollieren.
Wo ist die Bereitschaft für das Ungewisse, das Überraschende, das was uns ins Ungewisse führt?
Eltern werden ausgestoßen aus der Gesellschaft, es sei denn, sie kriegen es quadratisch, praktisch hin oder stopfen Mäuler mit Geld und Ansehen.
Und außerdem, warum bedenkt man nicht die vielen Familien in denen Erziehung gelingt, die sich durch so vieles mit Hürden raufen?
Warum müssen jetzt alle verpflichtend den ganzen Tag von Fremden erzogen werden?!
Trauen wir Fremden mehr zu als uns selbst?
Würden wir uns vor einer armen Schwangeren verneigen? Wir würden allenfalls denken, oh sie hat zuviel getrunken, einem Mann schöne Augen gemacht, kurz gesagt: Schlampe. Das ist der Anfang des Übels!
Viele Emigrantenfamilien haben aus einem anderen Grund ihre Kinder zu Hause, weil sie alles verloren haben, schon oft und einzig den Wert einer wachsenden Bindung innerfamiliär kennen. Oft sieht man bei armen Menschen mehr Liebe zu den Kindern, sie werden in gewisser Weise noch als Mysterium, Gottesgeschenk und Segen betrachtet.
Mein eindruckvollstes Erlebnis war die Frau des Säufers, der ich im Sozialdienst während meiner Zeit in Salem begegnet bin. Die weitermachte ohne Geld mit vielen Kindern. Ihr Blick, ihre Weise einen anzusehen; ich hatte danach das Gefühl, wenn man so weitermacht wie sie, dann hat man etwas erreicht, das ist Erfolg. Erfolg wie dieser ist uns verloren gegangen. Vor allem auch einen Erfolg wie diesen zu sehen und zu würdigen
„Wie kannst Du ein Kind haben, wenn Du kein Geld hast?“ Heißt es ja immer und so weiter…
Die Gier nach Macht und Geld ist zu groß, gerade dort, wo die Bescheidenheit, die Toleranz, die Achtung und eine geistige Sicht segensreich wären.
Güte schafft Zeit zum Aufhorchen, zum Zuhören. Und hören wir dann gütig zu, sind wir erstaunt, wie viel Gehorsamkeit und mehr folgt.
Vielleicht ist dieses ganze Buch von Herrn Dr. Bueb für eine reiche Ebene, Gesellschaftsschicht geschrieben. Die untere Ebene scheint mir so anders.
Sicher brauchen wir bessere Schulen, mehr Achtung und eine bessere Ausbildung für Lehrer.
Wir brauchen Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten, wobei die Betonung auf Möglichkeiten liegt!
Aber dennoch erscheinen auch diese Sätze mir als aus Highsociety-Kreisen stammend. Etwas wird verdrängt.
Gibt es den Gedanken, dass es traurig sein kann, sein Baby weggeben zu müssen, um bloß Geld zu verdienen, indem man in anderer Leute Häuser putzt?
Findet man allein diese Situation gar nicht mehr gefühlsmäßig bewegend?
Alle Kinder müssen in Raster passen, wir wissen aber genau, dass die Entwicklung der Kinder sehr verschieden sein kann. Einer wird ein Dichter, einer ein Sportler, manche Kinder können früh fort, andere später. Dem mütterlichen, väterlichen oder elterlichen Gefühl messen wir keine Bedeutung bei.
Alles ist so einfach geworden. Alles geht nach Schema F.

Die Gemeinschaft hat etwas sehr Wichtiges und Wertvolles und der Mensch braucht Gemeinsamkeit, aber wir brauchen trotz allem Menschen wie Bonhoeffer, die eine innere Bindung empfinden können, die allein sterben können, die ihrem Weg treu bleiben können, die nicht bedrohbar sind, die ihre Werte nicht aufgeben sondern verteidigen und bekennen, auch trotz aller Strafe und Androhung von Einsamkeit und Tod. Und dafür ist es wichtig, eine Bindung überhaupt erstmal geschenkt bekommen zu haben.
Inzwischen bin ich zu hause angekommen und als ich das Buch so auf den Tisch lege, denke ich, ein bisschen scheint es mir, als sagten all diese Worte, die dort so geschrieben sind: wir müssen wirtschaftstaugliche Menschen erziehen.
Auf meinem Schreibtisch liegt ein Brief einer Mutter deren Tochter immer noch keine Ausbildungstelle gefunden hat.
Es stimmt nicht, dass Fleiß allein zu Erfolg führt und dass, wer arbeitet auch etwas bekommt.
Es gibt unendlich viel Arbeit ohne Leistungserfolg, ohne Geld, und wir müssen zu großen Teilen lernen damit zu leben, keine Arbeit zu haben, nicht gebraucht zu sein ohne den Ausweg in Suff oder Militär zu wählen.
Auf Seite 167 schreibt Herr Dr. Bueb „Ziel der Erziehung zum Arbeiten muss ein Grad der Gewöhnung sein, die Arbeit zur zweiten Natur werden lässt.“
Wem aber Arbeiten zur 2. Natur geworden ist, nach Herrn Dr. Buebs Aussage, der ist hart dran beim Gang durch die Wüste der heutigen Arbeitswelt. Arbeiten definiert sich ja als eine bezahlte Tätigkeit. Es ist nicht wahr, dass einem disziplinierten fleißigen Menschen die Welt offen steht. Nur im Besitz von Beziehungen und Geld steht ihm die Welt offen, durch reine Anstrengung, Begabung und Arbeit dauert es unter Umständen länger als sein Leben bis der Erfolg eintritt, wenn überhaupt. Besonders so wie unsere Gesellschaft heute ist. Schauen wir uns die arbeitslosen Akademiker und Hochausgebildeten doch an und auch die fleißigen, schlicht Arbeitenden.
Man erfährt durch Leistung mehr Freude sagt Dr. Bueb.
Die Freude aber, die durch Helfen und durch Verantwortung entsteht zu betonen, ist wichtiger.
Ich blättere noch einmal durch das Buch und denke an viele Situationen im Leben mit Kindern. Der Erwachsene, der Erzieher ist groß, einsam, das ist eine Sache. Aber es ist wichtig auch Kleinen Einsamkeit zuzutrauen und diese auch anzuerkennen. Oft denken wir, wir sind ja da, wir tragen, machen, aber wir trauen dem Kind Einsamkeit nicht zu, was eine gewisse Überhöhung der Wahrnehmung unserer eigenen Person ist und das heißt, wir manchen uns nicht bewusst, dass sie Einzelwesen in völliger Vollständigkeit sind.

Warum störte Herr Dr. Bueb sich so sehr an dem Zuviel- Psychologisieren, ist dieses Zuviel vielleicht gebunden an eine hohe, reiche Gesellschaftsschicht?
Auch frage ich mich, warum so viele dem Erziehungszwang geradezu unterlegen sind? Aus welcher Angst und aus welchem Misstrauen? und aus welcher Überheblichkeit eigentlich heraus. Könnte man nicht zunächst mal da sein und für sich offen und klar zu handeln versuchen. Man sieht doch häufig nur die eigenen Bilder und man schaut nicht offen nach draußen, betrachtet das Außen offen, das Gegenüber. Die Kinder, die Haushälter, die Angestellten, die Schüler, alles muss man angeblich erziehen. Wieso eigentlich ? Wie kommen wir zu diesem Glauben?

Ich schaue aus dem Fenster auf die stiller werdende Straße, an der Häuserecke hat ein Penner seinen nächtlichen Schlafplatz eingenommen. Dieser arme Mensch,
ist er deshalb Penner, weil er es nicht geschafft hat aus irgendetwas Geld zu machen? Messen wir es so, und könnte ohne dies Geld, als Meßlatte, plötzlich ein Verpenntes zum Vorschein kommen auf einer hohen gesellschaftlich anerkannten, erfolgreichen, anzug-tragenden Ebene? Bei manchem also, der es geschafft hat unglaublich viel Geld zu machen?
In der Ferne höre ich einen Zug mit dem ich glücklicherweise heute Abend nicht mehr fahren muss. Noch einmal überdenke ich alles, was ich nun gelesen habe und diese Gedanken schreibe ich hier auf.
Bedenkt man wie viel Kindesmissbrauch, Menschenhandel, Betrug, Drogenhandel, sexuelle Gewalt, kurz, wie viel Kriminalität in welchem hohen Prozentsatz auf Erden gelebt wird, so kann es nicht sein, dass eine der bisher praktizierten Erziehungsformen bis jetzt ausreichend und richtig ist. Solange es soviel Missbrauch des Menschen am Menschen gibt, kann es nicht sein, dass das Aufziehen unserer Kinder den richtigen Weg gefunden hat.

Aus der Vergangenheit kann man und soll man viel lernen, aber wir müssen uns auch bewusst machen, dass es gilt, das Ererbte zu erlösen.

Es ist sicher so, dass der Mensch durch Schwierigkeiten wächst, auch durch Leiden sich weiterentwickeln kann, durch Notsituationen Charakterfestigkeit beweisen und erlernen kann. Aber es ist nicht richtig, absichtlich Leid als Mittel zu schaffen und zu
benutzen. Das Leben an sich bietet Hürden von selbst.

In jedem Erfolgsberuf, in Erfolgsleistungen überhaupt, sehen wir es sofort als berechtigt an, dass man dafür einen kompletten Einsatz braucht, dass man diesem alle Zeit opfern darf, muss, ja sogar soll. Nur in Bezug auf unsere Kinder denken wir, sie laufen neben her, allein unsere Anwesenheit auf Erden sei für sie genug, sie haben zu funktionieren oder zumindest brauchen sie nichts extra. Früher hatte man sie sogar nur für die Arbeit. Und ein wenig haben wir sie ja auch heute noch für unsere Versorgung. In dieser Weise wirkt das veraltete Denken über Kinder in uns weiter.
Ist es nicht an der Zeit in den Kindern auf ganz neue Weise unsere Zukunft zu sehen?
Sie in dieser Sicht als das Kostbarste zu sehen, was auf Erden ist? In den ersten Lebensjahren bildet sich Beziehungsfähigkeit, Bindungsfähigkeit, Wahrnehmung, Mitgefühl, Kommunikation, Liebes- und Verantwortungsfähigkeit. Kurz gesagt, es entwickelt sich ein Großteil des Bewusstseins, der seelischen Gesundheit oder Krankheit.

Natürlich sind sehr streng erzogene Kinder vielleicht ihr Leben lang brav, zuvorkommend oder fleißig. Vielleicht sind sie es aus Angst in irgendeiner Form bestraft zu werden und nicht aus Einsicht oder freiem Willen. Diese Kinder sind Opfer der strengen Erziehung und ihre Angst wird sich irgendwann einen Weg suchen um sich zu entladen. Dies kann verheerende Folgen haben.
Niemals gilt es im Leben die Waage in Richtung Kälte zu verschieben. Die stets schwerere Aufgabe, das stets neu zu Erlernende in allen Zeiten, ist die Güte, der Humor und die tätige Liebe. Die andere Seite der Waage sorgt schon von allein für ihre Aufmerksamkeit und es ist wesentlich einfacher sie sich anzueignen. Meistens kommt die Härte und Kälte schneller, als man denkt, zum Zuge. Sich auf ein ungewisses Abenteuer ein zu lassen ist die Herausforderung, nicht sich in gebastelten, fest verlaufenden Konstrukten einfach einzufügen.

Herr Dr. Bueb sagt auf S.14 „Wir fahren auf einem Schiff ohne Kompass.“ Soll aus seiner Sicht Disziplin der Kompass sein? Ich frage mich, ist das Schiff ohne Kompass die Tatsache, dass wir nicht lieben können?

Was passiert wirklich, wenn wir mit dieser menschlichen Lebenszeit des Lebensbeginns behutsamer umgehen?

Draußen gehen die Straßenlaternen an, der Mond steht am Himmel, die Stadt wechselt ihre Farben in nächtliches Glitzern, Ich bin jetzt da, wir sind jetzt da, dies ist unsere Zeit.
In der Erziehung dürfen wir DAZUSEIN ausüben.