3 ER: Auf dem Weg ins Büro

By K. Finkenau10. Juli 20203 Minutes

„So viele Möglichkeiten, wie wir meinen gibt es gar nicht.“
Er kam aus dem Bad, hatte sich fertig gemacht. „Fertig gemacht,“ er seufzte. Das erste mal wurde ihm die Doppeldeutigkeit dieses Wortes bewusst, und auch, dass für ihn heute wohl die zweite, eigentlich ja nicht so gemeinte, Deutung galt.
„Entweder aufgeben oder weitermachen,“ dachte er, und knöpfte sein gut gebügeltes Hemd zu.
„Entweder aufgeben oder weitermachen, dazwischen gibt es nichts.“ Er zog das Jacket an und trat vor den Spiegel. „ Konnte er aufgeben?“ Das Jacket saß gut nachdem er es zurecht gerückt hatte. Er überprüfte sein Gesicht und die Haare, „er könnte aufgeben.“ Er drehte sich um, um die Schuhe unter dem Schrank hervor zu ziehen. „Aufgeben kann man immer noch. Also weiter, weitermachen.“
Er musste sich eingestehen, dass er enttäuscht war. „War er enttäuscht? Oder besser ermüdet? Ermüdet. Konnte man sich eigentlich leisten ermüdet zu sein?“
Er nahm seine Tasche, das Handy, den Schlüssel und verließ die Wohnung.

Die Straßen waren voller Menschen. Alle eilten irgendwohin oder irgendetwas nach oder vor irgendetwas davon. In all der Fülle sah er auf einmal eine bewegte Leere, ein hohles Einerlei, ein nichtiges Geschäftig-sein, wie um seiner selbst willen. Es schien dem Bewußtsein vollkommen entfallen zu sein, dass man Spuren zieht und hinterlässt. In wilder Eile ging es um ein Haben-wollen, um genug zu bekommen, um viel zu kriegen. „Zu kriegen,“ sagte er vor sich hin, „raffender Krieg!“ dachte er.
„Eine Spur legen, etwas hinzuzufügen ein Ureigenstes, Einzigartiges, in jedem Pulsschlag der Zeit. Krümel um gefunden zu werden, um zu finden, um nicht verloren zugehen. „Wären wir ohne Spuren nicht verloren? Ohne ein Hineingeben gingen wir verloren? Vergänglichkeit. Bliebe also nichts bestehen, als die Tat, als der Krümel, der Kiesel in die Zeit gegeben? Tun ist Lieben? Ist Liebe der Kiesel den wir gegeben? „Hänsel und Gretel hatten versucht daran wieder ihr Heim zu finden? Finden wir uns und eines Tages auch in eine Geborgenheit, nur über die Kiesel, die wir lebend, tuend ausgestreut haben?“ Er schüttelte seinen Kopf, „warum mußte er denken und was sollten diese Bilder im Kopf?“
„Eines Tages sorgen wir uns um das, was wir nicht taten, was wir nicht erlebten.
Aber auch dieses bleibt nur dann, wenn wir uns hineingaben, wenn ein Zipfel unseres Seins darinnen ist. Der Kiesel aus unserer Tasche. Was nun aber,“ dachte er, „ wenn wir uns nicht hineingeben, also keine Spur ziehen und hinterlassen?“
Er öffnete die Tür zum Büro und trat ein.